Ute Baumhackl
Größte Theaterereignisse:„The Hills Are Alive“ von Nikolaus Habjan und Neville Tranter am Grazer Schauspielhaus, „Maria Stuart“ bei den Festwochen. Und Ulrich Rasches „Bakchen“ an der Burg.
Film des Jahres: Schwierige Wahl in einem Jahr mit Filmen wie „The Favourite“, „Destroyer“, „The Irishman“. Aber dann doch klar: Bong Joon-hos „Parasite“.
Ausstellung des Jahres: Caravaggio & Bernini im KHM.
Bestes Romandebüt: Tonio Schachinger schrieb mit „Nicht wie ihr“ das gemeinste, also auch: witzigste Buch des Jahres.
Liebstes Album: Schmerz und Attitüde, bekanntlich zwei der wichtigsten Ingredienzien des Pop, hat FKA twigs in „Magdalene“ so meisterlich verstrickt wie sonst niemand heuer.
Bester Juryentscheid: der Literaturnobelpreis für Olga Tokarczuk.
Martin Gasser
Musikfilme des Jahres: Zweimal Netflix: In „Homecoming“ festigt Beyoncé ihre Rolle als Popkönigin und in der Mockumentary „Rolling Thunder Revue“ zerpflückt Martin Scorsese den Mythos Bob Dylan. Und Dylan ist ihm ein freudiger Komplize.
Opernaufführung des Jahres: Das Klagenfurter Stadttheater hängt mit „KOMA“ von Georg Friedrich Haas die großen Renommierbühnen des Landes kilometerweit ab.
Sänger des Jahres: Bariton Christian Gerhaher als Elias im Theater an der Wien. Gesang als Bekenntnis zur Wahrhaftigkeit.
Buch des Jahres: „Middlemarch“ von George Eliot: Englands Tolstoi in Neuübersetzung bei dtv.
Ärgernis des Jahres: Dass es einem immer schwerer gemacht wird, einigermaßen differenziert über Peter Handke zu reden.
Daniel Hadler
Buch des Jahres: Wie präzise und fabelhaft Norbert Gstrein in „Als ich jung war“ die Unschlüssigkeit beschreibt, wird noch länger in Erinnerung bleiben.
Serie des Jahres: Kein Kassenschlager wie „Stranger Things“ oder „Game of Thrones“ ist die Netflix-Serie „Chernobyl“. Ein qualitativer Überraschungscoup: geniale Bildsprache und hoch spannender Geschichts- bzw. Physikunterricht.
Platte des Jahres: „Radiohead“-Lead Thom Yorke schuf auf Solowegen mit „Anima“ ein audiovisuelles Gesamtkunstwerk.
Fernsehmoment des Jahres: Die ZiB-Berichterstattung zum Ibiza-Video machte alle Diskussionen zur ORF-Finanzierung zumindest vorerst obsolet.
Verlust des Jahres: der stille Abschied von Talk-Talk-Sänger Mark Hollis (1955–2019).
Bernd Melichar
Festival des Jahres: Das legendäre Primavera-Festival in Barcelona ist der Beweis dafür, dass Musik sowohl Konsumartikel als auch Kulturgut sein kann. Höhepunkte: Americana-Dude Kurt Vile, Electro-Poet James Blake und Brit-Pop-Pate Jarvis Cocker.
Platte des Jahres: Seine dritte Platte darf der genresprengende Neo-Souler mit gutem Gewissen nur noch mit seinem Namen
betiteln: Michael Kiwanuka.
Film des Jahres: Literaturverfilmungen gehen selten gut, Edward Norton macht es mit seiner grandiosen Adaptierung von
Jonathan Lethems „Motherless Brooklyn“ um Klassen besser. Stimmig und zwingend wie eine Miles-Davis-Platte. So what?
Buch des Jahres:Handke, „Die Obstdiebin“. Denn auch über das hätte man reden sollen: über seine nobelpreiswürdigen Bücher!
Susanne Rakowitz
Serien des Jahres: „Fleabag“, die zweite und leider letzte Staffel der supertalentierten, saukomischen Phoebe Waller-Bridge. „Succession“: Auch die zweite Staffel der Milieustudie beim US-Medienadel überzeugte.
Der Patriarch treibt seine Familie und die Konkurrenz vor sich her. Verbittert, böse, grandios!
Platte des Jahres: Sharon Van Etten blickt mit „Remind Me Tomorrow“ auf ihr jugendliches Ich zurück.
Ausstellung des Jahres:„Chinese Whispers“, der Schweizer Kunstsammler Uli Sigg ermöglichte im MAK mit seiner Sammlung einen gelungenen Einblick in die chinesische Gegenwartskunst.
Buch des Jahres: Eine mysteriöse Feldforschung, die bis an die Knochen geht: Raphaela Edelbauer und ihr fantastisches Buch „Das flüssige Land“.
Julia Schafferhofer
Ausstellung des Jahres: Das Belvedere holte 60 aufregende, vergessene Künstlerinnen in „Die Stadt der Frauen“ vor den Vorhang.
Filme des Jahres: Einmal lachen, weinen, gruseln und nachdenken – alles in einem Film. Das haben im Jahr des Comebacks von Scorsese und Tarantino zwei andere Filme geschafft: Nora Fingscheidts „Systemsprenger“ und Bong Joon-hos „Parasite“.
Konzert des Jahres: Zärtlich, anmutig und schmerzhaft: Soap&Skin in der Wiener Arena.
Buch des Jahres: Brachial-brutal, aber herzerfrischend bissig: Sibylle Bergs „GRM. Brainfuck“.
Good News: Die Meldung ging fast unter: Veronica Kaup-Hasler hat es geschafft, dass das Wiener Kulturbudget um 26 Millionen Euro erhöht wird. Geht doch.
Ärgernis des Jahres: die Oscar-Posse um den Austro-Film „Joy“.
Michael Tschida
Opernentdeckung des Jahres: Luigi Cherubinis „Médée“ in Salzburg: Simon Stone lieferte großes Kino in der Oper, Thomas Hengelbrock mit den Philharmonikern einen stimmigen „Soundtrack“.
Konzert des Jahres: Cecilia Bartoli im Teatro San Carlo in Neapel: „Bravississississima!!!“, bejubelte ein Fan die Mezzosopranistin, die zu Pfingsten in Salzburg die Kunst der Kastraten feierte.
Enttäuschung des Jahres: Olga Neuwirths „Orlando“. Die Uraufführung an der Staatsoper begann ganz stark, dann verzettelte sich die Komponistin und Librettistin in Ideenklitterung.
Treffen des Jahres: mit Eugen Gomringer (94), Erfinder der Konkreten Poesie, bei seiner Schau im Museum der Wahrnehmung. Wach, klug, witzig, charmant.Verlust des Jahres:Jessye Norman (1945–2019).
Christian Ude
Film des Jahres:„The Favourite“ mit Olivia Colman (Oscar!),
Rachel Weisz und Emma Stone. So schön sahen Intrigen, Neid und Verrat selten aus. Doch das Böse kennt keine Gewinner.
Serie des Jahres:„The Politician“ auf Netflix. Adoptivkind träumt vom US-Präsidentenamt. Amüsant-absurd? Fast zu real! Mit
einem hinreißenden Ben Platt. Von ihm stammt auch das
Album des Jahres: „Sing to Me Instead“. Platt begann seine Karriere in Musicals und ist Tony-Preisträger. Seine selbst geschriebenen Lieder gehen ans Herz. Die neue Stimme 2019!
Buch des Jahres: „Bretonisches Vermächtnis“ von J.-L. Bannalec. Der achte Krimi mit Dupin ist der atmosphärischste – und macht Lust auf Georges Simenon.
Verlust des Jahres: Lotte Tobisch (1926–2019). Wahre Grande Dame.