Immer wieder findet das Theater an der Wien Stücke, die zu Unrecht im Orkus des Vergessens verschwunden sind. Nach dem Pech mit Spontinis wenig inspirierter Oper "La Vestale" gelang dem Haus ein Goldgriff. "Halka" bietet alles, was man von einer romantischen Oper verlangen kann: betörende Melodik, große Liebe, tragischen Tod und dazu noch ein Quäntchen Politik.
Polens Kommunisten als Opernfiguren
Polnische Politik, was die Sache für uns nicht einfacher macht. Warum die traurige Geschichte von dem Waisenkind aus der polnischen Provinz, das einen Adeligen liebt, sein Kind verliert und an der standesgemäße Hochzeit des Treulosen zerbricht, die russischen Besatzer in 19. Jahrhundert zum Verbot des Werks bewog, ist heute schwer nachvollziehbar. Vielleicht wegen der Kritik am Adel, vielleicht auch ruft Halka vor ihrem Tod im Fluss zu oft Gottes Gnade für das "Volk" an, womit nur die bedrückten Polen gemeint sein können.
Mariusz Trelinski, der Regisseur und künstlerische Leiter des koproduzierenden Warschauer Opernhauses, verlegt das Stück in die Zeiten der jüngsten russischen Besatzung. Wüst treiben es reiche Kollaborateure mit den Russen in den siebziger Jahren. Es wird Vodka gesoffen, von Gleichheit ist trotz Kommunismus keine Spur und die Kluft zwischen städtischer Dekadenz und ländlicher Reinheit klafft nach wie vor. Ein gelungener Epochen-Transfer, der sich dem Publikum in Polen sicher auf den ersten Blick erschließen wird. Aber in Wien funktioniert die Sache auch. Schließlich geht es um das Gefälle zwischen Macht und Ohnmacht, das läßt sich mit Adel so gut zeigen wie mit Geld.
Ein Siegeszug der Sänger
Der größte Anteil am Erfolg aber geht auf das Konto der beiden polnischen Sängerstars Piotr Beczala und Tomasz Konieczny. Beczala darf als verschmähter Verehrer Halkas herrlich schmachten. Janusz, sein böser, adeliger Widersacher mit Hang zum Küchenpersonal findet in Konieczny eine kongenial düstere Verkörperung. Die Halka singt Corinne Winters so als wäre es ganz normal, als amerikanische Sopranistin polnisch zu artikulieren. Gegen Ende steigert sie sich in furiosen Wahnsinn, ein gewaltiger Kraftakt für die zierliche Sängerin.
Ob Lukasz Borowicz mit dem ORF-Orchester das Maximum aus der Partitur herausholte, darf bezweifelt werden. Der Arnold Schönberg-Chor widmete sich mit Hingabe den zuckenden Modetänzen der Siebziger und sang dennoch makellos, eine sportlich-musikalische Meisterleistung. Anhaltender Jubel für die Protagonisten, gemischt mit mildem Missfallen für den Regisseur.
Thomas Götz