Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Schriftsteller Peter Handke als "rassistische Person" bezeichnet und die Verleihung des Literaturnobelpreises an den Österreicher scharf kritisiert. Handke sollte am heutigen Dienstagnachmittag in Stockholm den Preis für das Jahr 2019 überreicht bekommen.
Der türkische Botschafter wird der Zeremonie aus Protest fernbleiben. "Dass am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, der Literaturnobelpreis einer rassistischen Person gegeben wird, die den Genozid in Bosnien Herzegowina leugnet und Kriegsverbrecher verteidigt, hat keine andere Bedeutung, als Verstöße gegen Menschenrechte auszuzeichnen", erklärte Erdogan am Dienstag. Kritiker werfen Erdogan selbst Menschenrechtsverletzungen vor, etwa dass unter seiner Führung Oppositionelle durch politische Prozesse zum Schweigen gebracht werden.
"Irrationale und unerhörte" Entscheidung
Am Samstag hatte Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin via Twitter gefordert, die "irrationale und unerhörte" Entscheidung, die Auszeichnung an Handke zu vergeben, zurückzunehmen. Er warf dem Nobelpreiskomitee zudem vor, damit zu neuen Kriegsverbrechen zu ermutigen. Der Literat hatte sich im Jugoslawien-Konflikt stark mit Serbien solidarisiert und nach Ansicht von Kritikern die von Serben begangenen Kriegsverbrechen bagatellisiert oder geleugnet. 2006 hielt er bei der Beerdigung des sechs Jahre zuvor gestürzten serbischen Führers Slobodan Milosevic eine Rede.
Der Zerfall Jugoslawiens zu Beginn der 1990er-Jahre war mit einer Serie von äußerst blutigen Kriegen zwischen Serbien und anderen Nachfolgestaaten einhergegangen. Allein in Bosnien gab es 100.000 Tote und zwei Millionen Vertriebene. Auch wenn alle Seiten Kriegsverbrechen begingen, belegen Erkenntnisse der Zeitgeschichtsforschung sowie die Rechtsprechung des Internationalen Jugoslawien-Tribunals in Den Haag, dass die Kriege von Milosevic geplant und initiiert wurden und dass die meisten und schwersten Gräuel auf dessen Konto gingen.