Samstag, 29. Mai 1982, 17 Uhr: Auf FS2 läuft „Land der Berge“. Was bedeutet Ihnen dieser Tag?
Lutz Maurer: Das war ein Freudentag. ORF-Programmintendant Ernst Wolfram Marboe hatte uns vier Pilotsendungen für den Samstag-Nachmittag, an dem sich neue Sendungen bewähren mussten, finanziert. Alle hatten so hohe Einschaltquoten, dass wir 1983 sofort in den Hauptabend kamen.
Ihr Format hat die nachfolgenden Jahre geprägt, stolz darauf?
Manfred Gabrielli, Bernd Seidel und ich träumten, eine neue ständige Sendung zu erfinden. Vor uns hatte der Bayerische Rundfunk mit „bergauf- bergab“ begonnen, eher einer Aktions- und Servicesendung. Wir aber wollten immer nur Geschichten von Bergen und Menschen erzählen. Unser Motto: „Wir können keine Berge versetzen, sie nur dem Zuseher näherbringen“.
Am Anfang war der Titel der Sendung unklar. Ist „Land der Berge“ ein Glücksfall gewesen?
Wir hatten unser Konzept über ein Jahr gründlich vorbereitet. Im Gegensatz zu heute, wo neue Sendungen mit großem Tamtam angekündigt und dann nicht einmal realisiert werden. Als Marboe fragte, ob wir auch einen Titel hätten, sagte ich, was einer von uns in der Vorbereitung als Arbeitstitel notiert hatte: „Land der Berge“! Weil unsere Bundeshymne so begänne. Marboe war damit sofort einverstanden.
1978 erreichten Peter Habeler und Reinhold Messner als erste Menschen ohne Flaschensauerstoff den Gipfel des Everest, auch das Rennen um alle Achttausender war eröffnet. Eine gute Zeit für eine Bergsendung.
Es half uns sehr. 1983 hatte „Land der Berge“ - nun bereits im Hauptabend- ein langes Interview mit Messner gebracht. Unter dem Titel „Jetzt will ich alle“ kündigte er an, als erster Mensch alle 14 Achttausender besteigen zu wollen.
Kein Bergsteiger kam in den folgenden Jahren an der Sendung vorbei. Wohl auch, weil Sie sich, wie Sie es nannten „nie auf Fremdenverkehrsvereine einließen“.
Richtig. Wir haben uns nie auf finanziell verlockende Kooperationen mit Tourismusverbänden eingelassen. Wir sagten ihnen, dass wir nur nach unseren Vorstellungen filmen wollen und „Hotel und Essen zahlen wir uns selbst!“.
„Land der Berge“ stand immer für große Recherche mit Tiefgang. Heute fliegen Drohnen um die Berggipfel, warum ist die Bergdokumentation zur Bilderschau verkommen?
Kameras und Drohnen wurden in den letzten Jahren für jeden ambitionierten Privatmann erschwinglich. Deshalb schoss auch eine Unzahl von Filmfirmen aus dem Boden, deren Produkte oft nur einer Flugbilderschau sind, aber keine Story erzählen. Du musst eine Geschichte erzählen; das erfordert viel Zeit.
Sie selbst sind gar kein Bergsteiger, sondern waren Fechter und lieben das Wasser.
Meine große Liebe ist das Meer. Gäbe es noch die Monarchie, säße ich sicher als pensionierter Kapitän an der Adria. Die Bergsendung entstand nur aus journalistischem Interesse und weil es vorher im ORF eben keine gab.
Sie sind 78 Jahre. Ihr „Kind“ müssen Sie jetzt gehen lassen. Scheiden Sie in Gram vom ORF?
Ich habe 2001 meine letzte Sendung als Redakteur gemacht. Dann hat der Bernd Seidel bis 2003 übernommen. Als auch er in Pension ging und 2005 Manfred Gabrielli starb, sprang ich, einem Angebot des Salzburger TW 1-Intendanten Fritz Urban folgend, in die Bresche. Als aus TW 1 ORF III wurde, schien das ein idealer Platz für die Sendereihe zu sein. Doch der erste Schritt des ORF war es, die Sendung auf den dümmsten und ungeeignetsten Platz zu verbannen. Samstag um 19.30 Uhr. Konkurrenz haben wir nie gefürchtet, aber gegen die Zeit im Bild anzutreten war unfair. An den Wochenenden zu allen Jahreszeiten sind auch die allermeisten Berg- und Naturfreunde unterwegs und haben kaum Zeit zum Fernsehen. Dann der nächste Tiefschlag: allen ORF III- Sendungen, die über Berge und Täler berichten, wurde der Titel „Land der Berge“ übergestülpt. Wiederum ohne mein Wissen; meine Anfragen wurden net amoi ignoriert - ist das nicht geistiger Diebstahl? Zuletzt wurde 2o18 der Kennmelodie „Chariots of fire“ eine weitere belanglose Mixtur von Musik und Bildern vorgesetzt.
Was jetzt?
Mein letztes „Land der Berge“ erinnert an Friedrich Torberg. Der schrieb einmal „Wehmut kann lächeln, Trauer kann es nicht“. Das erfüllt mich, wenn ich auf 51 Jahre ORF zurückblicke. Pläne habe ich noch genug. Zuallererst werde ich aber mein Archiv sortieren.