1996 kam es nach der Veröffentlichung von Peter Handkes Reisebericht "Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien" zu heftigen Kontroversen. Wegen der Haltung des Vatikans im Kosovokrieg trat Handke 1999 aus der Römisch-katholischen Kirche aus und zur Serbisch-orthodoxen Kirche über.
Zu den umstrittensten Auftritten des Schriftstellers zählte 2006 seine demonstrative Teilnahme am Begräbnis des serbischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic, dem vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal der Prozess gemacht worden war. In seiner Ansprache gedachte Handke aber keines Politikers, dafür aber zahlreicher serbischer Schriftsteller und Künstler.
2009 wurde Handke bei einem alljährlichen Dichtertreffen in der serbischen Enklave Gracanica im Kosovo mit dem "Goldenen Kreuz des Fürsten Lazar" ausgezeichnet. Das Dichtertreffen findet anlässlich des Jahrestages der Schlacht von Amselfeld (1389) am 28. Juni statt. Handke ist der erste ausländische Autor, dem diese Auszeichnung verliehen wurde, er war aber bei der feierlichen Zeremonie nicht persönlich anwesend.
In Oslo als "Faschist" beschimpft
Der serbische Fürst Lazar Hrebeljanovic kam in der Schlacht gegen die Osmanen auf dem Amselfeld (Kosovo Polje) ums Leben. Der "Vidovdan" (St.-Veits-Tag), der 28. Juni, wurde zum nationalen Trauertag des serbischen Volkes. Der im einstigen Jugoslawien praktisch vergessene St.-Veits-Mythos wurde zum 600. Jahrestag der Schlacht 1989 von damaligen serbischen Kommunisten- und Staatschef Milosevic erneut wachgerufen.
Bei der Überreichung des internationalen Ibsen-Literaturpreises 2014 in Oslo war der Schriftsteller wegen seiner proserbischen Haltung von Demonstranten als "Faschist" beschimpft worden. Als Reaktion hatte er angekündigt, einen Teil des Preisgeldes in Höhe von umgerechnet 306.000 Euro im Kosovo zu spenden und den Rest an den norwegischen Staat zurückgeben zu wollen. 50.000 Euro spendete Handke für den Bau eines Schwimmbades in der Kosovo-Gemeinde Velika Hoca, in dem eine kleine serbische Minderheit mitten unter der albanischen Bevölkerungsmehrheit wohnt.
2015 wurde Handke zum Ehrenbürger der serbischen Hauptstadt Belgrad ernannt. In seiner Dankesrede verwies er darauf, dass die Stadt in nur einem Jahrhundert dreimal Bombenangriffen ausgesetzt gewesen sei. Er meinte damit zwei schwere Bombardierungen während des Zweiten Weltkriegs (1941 von deutschen Flugzeugen und im Frühjahr 1944 durch die Alliierten) sowie die NATO-Luftangriffe im Zuge des Kosovo-Konflikts 1999.
Die Schuldigen des Balkankrieges
Handke habe den Titel des Ehrenbürgers verdient, weil er Serbien jahrzehntelang, "ungeachtet dessen, wer an der Macht war", unterstützt habe, erläuterte Goran Vesic von der Belgrader Stadtverwaltung anlässlich der Verleihung der Auszeichnung. Handke habe als Intellektueller viel dafür getan, damit in den Zeiten des Zerfalles des früheren Jugoslawien auch die "andere Seite der Wahrheit" ans Licht der Öffentlichkeit gekommen sei.
2015 gab Handke in einem Interview mit der Belgrader Zeitung "Kurir" westlichen Spitzenpolitikern Schuld an den Kriegen und Krisen in den Balkanländern. Dem früheren britischen Premier Tony Blair, dem deutschen Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem einstigen US-Präsidenten Bill Clinton "sollte man dafür gratulieren, was sie vor 20 Jahren zusammengeköchelt und vergiftet haben", sagte Handke.
Die drei kritisierten Politiker hatten 1999 die Bombardierung Serbiens durch die NATO durchgesetzt, weil serbische Verbände im Kosovo 800.000 Albaner brutal vertrieben hatten. Demgegenüber gab Handke den Albanern selbst die Schuld an ihrer Lage. Sollte die serbische Minderheit im Kosovo eines Tages von den Albanern ganz aus dem Land gedrängt werden, wäre das laut Handke "eine große Tragödie für die jungen Albaner. Dann haben sie keine Feinde mehr. Das wäre ihr Selbstmord, denn die Albaner brauchen Feinde."
"Freund Serbiens" und harsche Kritik
In den Ländern des Westbalkans stieß die Verleihung auf gemischte Meinungen. Während in Serbien die Auszeichnung für den "Freund Serbiens" begrüßt wird, gibt es aus dem Kosovo und Bosnien-Herzegowina harsche Kritik in Bezug auf die ihm vorgeworfene Verharmlosung von serbischen Kriegsverbrechen.
Der ehemalige kosovarische Außenminister Petrit Selimi fragte die Nobelpreis-Akademie über Twitter, ob sie auch Handkes Rede, die er beim Begräbnis des serbischen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic hielt, als Teil seines literarischen Opus berücksichtigt habe, als sie beschloss, "diesem Genozid-Leugner" den Nobelpreis zu verleihen. "Skandalös", twitterte unterdessen die kosovarische Botschafterin in den USA, Vlora Citaku, und bezeichnete die Entscheidung als "absurd und schändlich".
Auch der amtierende Außenminister Albaniens, Gent Cakaj, bezeichnete die Auszeichnung als "unwürdig und schändlich". "Als jemand, der leidenschaftlich an die Schönheit und Macht der Literatur zur Bereicherung der menschlichen Erfahrung glaubt, und als Opfer von ethnischer Säuberung und Genozid bin ich empört über die Entscheidung, den Literaturnobelpreis einem Genozid-Leugner zu verleihen", schrieb der aus Kosovo stammende albanische Politiker auf Twitter.
Den Kritikern, die auf Twitter auf Kontroversen rund um Handke hinwiesen, schloss sich auch der bosnisch-amerikanische Schriftsteller Aleksandar Hemon an. "Peter Handke ist der Bob Dylan unter den Genozid-Leugnern", twitterte Hemon und verlinkte einen Guardian-Artikel aus dem Jahr 1999 über Handkes Positionen zum Bosnien-Krieg. Auf diesen Artikel verwiesen auch bosnische Medien. Die Tageszeitung "Dnevni Avaz" bezeichnete Handke in einem Porträt als "leidenschaftlichen Fan der serbo-tschetnischen Bewegung, der im Rahmen dieser Ideologie öffentlich den Genozid in Srebrenica leugnet".
Auf der anderen Seite gab es in Serbien großes Lob für Handke. Wie der serbische Kulturminister Vladan Vukosavljevic betonte, habe der große Schriftsteller, einer der höchstwertigen deutschsprachigen Autoren in der Geschichte den Höchstpreis verdient. Er hätte den Nobelpreis "schon längst bekommen müssen, doch dann hat die Politik ihre Finger dazwischen gemischt", so der Minister laut Nachrichtenagentur Tanjug. Handke bekam den Preis "relativ spät, aber doch absolut verdient", fügte er hinzu.