Alice Cooper, als Schockrocker in die Ruhmeshalle der Popgeschichte eingegangen, erlebt seit Jahren seinen zigsten Popularitätsschub. Am Montag gastierte der mittlerweile 71-Jährige in der Wiener Stadthalle. Sein Auftritt hatte den Charme eines alten B-Movie-Gruselfilms: Man schreckt sich nicht mehr, aber der Unterhaltungswert ist gegeben. Zumal auch der Soundtrack durchaus passabel war.
Zur Ansage "Welcome to Alice Cooper's nightmare castle" fiel der Vorhang und offenbarte ein Geisterschloss, das wie die ausrangierte Fassade einer Prater-Geisterbahn der Nachkriegszeit wirkte. Nur knapp 3.300 Besucher (der gute Herr war zuletzt wohl zu oft hier zu Gast) wollten sich in dieses Ambiente entführen lassen, in dem Cooper, umschwirrt von seiner agilen, heftig posenden Band, sogleich lässig den Taktstock schwang und "Feed My Frankenstein" anstimmte. Da tauchte kurz das Monster von Frankenstein auf, groß, in Ketten gelegt und mit einem riesigen Pappmaschee-Kopf. In "Teenage Frankenstein" durfte das schlaksige Ungetüm aus dem Geisterbahnmuseum später einen größeren Part spielen. Nicht umsonst trägt ein Cooper-Album den Titel "Trash".
Cooper hat in seiner langen Karriere zahlreiche Transformationen hinter sich: Vom Rockstar zum Alkoholiker, vom Hit-Lieferanten zum kommerzielle gefloppten "Dada"-Punk, dem ein Comeback als Heavy-Metal-Ikone gelang, der mit "Poison" einen erneuten Welthit feierte und sein Glück im Golfen fand. Das Abschwören von Drogen und Suff hat nicht nur seinem Leben und seiner Karriere, sondern auch seiner Stimme gut getan: Der Gesang saß gestern so perfekt wie die Zwangsjacke, die Cooper trug, bevor er geköpft und sein Haupt von einem hüpfenden Riesenbaby (sic!) davongetragen wurde - die Guillotine fehlte also ebenso wenig wie die Krücke, die verrückte Krankenschwester und der Geldscheinregen zu "Billion Dollar Babies". Das erwartet und bekommt der Fan, neu muss sich die Legende ja nicht mehr erfinden.
"Ol' Black Eyes Is Back" nennt sich die aktuelle Tournee zum 50. Jahresjubiläum des Erscheinens von Coopers Debütalbum "Pretties for You". Folgerichtig wurde beim Konzert Material aus vielen Schaffensperioden, vor allem jedoch der älteren, geboten - vom bösen "No More Mr. Nice Guy" über die rebellische Jugendhymne "I'm Eighteen" (was man Cooper durchaus noch abnimmt, zumindest was den Spaß am Rock and Roll betrifft) bis zum finalen, stets großartigen "School's Out".
Coopers aktuelle Gruppe spielte gut geölt, manchmal fast zu routiniert und manchmal alle Zwischentöne ausradierend, wobei ein Bulldozer-Shredder-Solo von Killer-Gitarristin Nita Strauss ein absoluter Höhepunkt war. Zwischendurch gönnte sich der Altmeister eine Erholungspause und ließ seine Band länger jammen und solieren, bis er aus einem Sarg zurück ins Rampenlicht sprang - möge Alice Cooper noch lange immer wieder auferstehen und durchs Schockrock-Museum führen!
Wolfgang Hauptmann