Weitgehende Einigkeit und ein paar Differenzen im Detail: So präsentierten sich die Kultursprecher (beziehungsweise deren Vertretungen) von ÖVP, SPÖ, NEOS, Grünen und der Liste JETZT am Montagabend im Rahmen einer vom Kulturrat Österreich veranstalteten Podiumsdiskussion im Depot in Wien-Neubau. Die FPÖ fehlte bei der gut besuchten Veranstaltung, sie wurde nicht eingeladen.
"Wir reden nicht mit Rechtsextremen", erklärte Moderatorin Monika Mokre, warum - wie schon bei ähnlichen Veranstaltungen in den vergangenen Jahren - die Freiheitlichen nicht aufs Podium geholt wurden. Die KPÖ wiederum habe nicht rechtzeitig auf die Einladung reagiert, die bundesweite Kandidatur von "Wandel" habe die Veranstalter "überrascht", weswegen nun kein Vertreter auf der Bühne Platz fand. Und so blieben konfrontative Wortwechsel bis auf wenige Ausnahmen weitgehend aus.
Die Themen wurden bereits in der ersten Runde der Wortspenden zu "kulturpolitischen Visionen" rasch abgesteckt: Die NEOS, vertreten durch Henrike Brandstötter, wünschen sich "transparente Kulturförderung". Brandstötter, die den verhinderten Kultursprecher Sepp Schellhorn ersetzte, brachte eine von Experten geleitete Bundeskulturstiftung ins Spiel, die langfristige Förderungen vergeben, Ankäufe tätigen und Auslandskulturarbeit leisten soll. Thomas Drozda, ehemaliger Kulturminister und nunmehr Kultursprecher der SPÖ, kritisierte das "geistig-kulturelle Klima in den vergangenen 18 Monaten" und wetterte gegen eine "Orbanisierung" der österreichischen Politik. Den inhaltlichen Fokus legte er auf die Verbesserung der sozialen Lage der Kulturschaffenden, die Valorisierung von Subventionen und eine anstehende Museumsreform. In eine ähnliche Kerbe schlug auch Eva Blimlinger als Kultursprecherin der Grünen. Darüber hinaus will sie das Bundesdenkmalamt (BDA) künftig als weisungsfreie Behörde sehen und regte ein Konjunkturpaket zur Renovierung von Kulturinstitutionen sowie Neubauten an ("ähnlich, wie es Reinhold Mitterlehner für die Universitäten gemacht hat").
Theatermacher Airan Berg (Liste JETZT) forderte "Allianzen gegen die Orbanisierung oder Sebastianisierung der Gesellschaft" und plädierte für eine Anhebung des Kulturbudgets von derzeit 0,6 Prozent auf 1 Prozent des BIP. Gefördert werden sollen "mehr alternative, innovative Initiativen", zudem forderte er "mehr Diversität, Teilhabe und Inklusion auch in Leitungsfunktionen" sowie einen "Abbau von Barrieren". Berg ersetzt den scheidenden Kultursprecher Wolfgang Zinggl, der nicht mehr bei der Nationalratswahl antritt. Maria Großbauer, Kultursprecherin der ÖVP, lobte "Österreich als Kulturland" und versicherte, dass "österreichische Kultur ganz, ganz wichtig" sei. So sei eines ihrer Anliegen "mehr Kunst und Kultur in der Bildung". Der Mangel an Musikunterricht an Volksschulen könne "große Auswirkungen haben, und in zwei Generrationen sind wir dann keine Kulturnation mehr". Dabei gehe es nicht nur um die Ausbildung von künftigen Künstlern, sondern auch das"Publikum der Zukunft".
Diskussion über die soziale Lage
In weiterer Folge verlagerte sich die Diskussion nach einem Input von Vertreterinnen des Kulturrats vor allem auf die soziale Lage von Künstlern und Kulturschaffenden, die eine von Drozda in Auftrag gegebene Studie zuletzt sehr düster zeichnete. Dieser schlug als eine gezielte Maßnahme vor, die Auszahlung von Förderungen an die Einhaltung von Mindeststandards in Bezug auf die soziale Absicherung der teilnehmenden Künstler zu binden, die im jetzigen System allzu oft Probleme mit Versicherungszeiten haben. Den Zugang zur Künstlersozialversicherung müsse man "erleichtern", es brauche "mehr Durchlässigkeit zwischen selbstständiger und unselbstständiger Arbeit". Airan Berg forderte mehrmals ein "langfristig zu schaffendes bedingungsloses Grundeinkommen" sowie eine Mindestpension von 1.200 Euro. Er könne sich auch Kollektivverträge im Bereich der Freien Szene vorstellen.
Brandstötter von den NEOS sah die Lösung in der Anpassung der Kulturförderung und der Regeln des Künstlersozialversicherungsfonds (KSVF) an die "volatile Arbeitswelt", Blimlinger kritisierte in Hinblick auf den KSVF, "dass Österreich das einzige Land ist, wo die Sozialversicherung und die Finanz bestimmen, wer ein Künstler ist". Eine Valorisierung von Subventionen hält sie vor allem im Bereich "der Kleinen" für notwendig, bei denen damit angefangen werden müsse. Großbauer konterte: "Die Großen bestehen ja auch aus vielen Kleinen", was im Publikum für einiges Schmunzeln sorgte. "Harmonie wird überschätzt", konstatierte Blimlinger. "Diskussion, davon lebt die Welt!"