Auf diesen Bildern stellen sich Mauern und Grenzen nicht nur in den Weg, sie werden auch überwunden: Es sind wie jedes Jahr eindringliche Aufnahmen, die die Ausstellung "World Press Photo" im Wiener WestLicht versammelt. Gewonnen hat den renommierten Wettbewerb heuer US-Fotograf John Moore, der zur Eröffnung am Donnerstag die Bedeutung von Fotojournalismus betonte.
Sein prämiertes Bild zeigt ein weinendes Flüchtlingsmädchen an der US-Grenze, dessen Mutter gerade durchsucht wird. Laut Jury zeigt diese Arbeit "eine andere, psychologische Art der Gewalt". Ob Moore, der als leitender Fotograf bei Getty Images arbeitet und viele Jahre lang im Ausland tätig war, für seine Arbeit Distanz benötige? "Oft fotografiere ich natürlich sehr emotionale Themen", meinte er im APA-Gespräch. "Besonders dieses Bild ist so ein Fall. Ich bin selbst Vater, vielleicht verstärkt es das noch. Was mir aber hilft: Ich glaube einfach daran, dass Fotojournalismus wichtig ist."
Er könne mit seinen Bildern die Meinungen und Ansichten von Leuten beeinflussen. "Manchmal vielleicht sogar jene von Regierungen", so Moore. "Für mich ist die Kamera im Endeffekt kein Schild, sondern eine Quelle der Kraft." Immigration sei in den USA ein derzeit sehr intensiv diskutiertes Thema - mit äußerst unterschiedlichen Positionen. "Es war klar, dass so ein kraftvolles Bild wie dieses, das ein derart politisch aufgeladenes Thema hat, kontroversiell aufgenommen wird", sagte der Fotograf. "Einige Leute werden da vielleicht 'Fake News' schreien. Aber so lange ich in meiner Arbeit genau bin, kann mir das nichts anhaben."
Besonders online, etwa auf Social-Media-Plattformen, würden Bilder schon mal aus dem Zusammenhang gerissen oder ihre Beschreibung einfach entfernt. "Du kannst natürlich nicht kontrollieren, was im Internet passiert", gab sich Moore keinen Illusionen hin. "Aber wenn das originale Ausgangsmaterial in Ordnung ist, du da alles richtig gemacht hast, dann kann man immer wieder darauf zurückkommen." Aus seiner Sicht sei es wichtig, dass sich Leute besonders im Online-Diskurs nicht auf scheinbar Offensichtliches verlassen, sondern die Ursprungsquelle einer Information, eines Bildes, eines Videos aufsuchen. "Im Endeffekt ist mir Kritik willkommen, weil es bedeutet, dass ich noch vorsichtiger sein muss."
35. Besucher im Vorjahr
Neben seinem Bild ist in der Ausstellung erneut eine Auswahl der prämierten Bilder in unterschiedlichsten Kategorien, von Weltpolitik über Alltägliches bis zur Sport und Natur zu sehen. Die zuvor angesprochenen Mauern, sie stellen sich glücklicherweise nicht immer wie unüberwindbare Hindernisse in den Weg. Wie viele Krisenherde es derzeit rund um den Globus gibt, wird dennoch deutlich, wenn man sich die erschütternden Fotos von Lorenzo Tugnoli aus dem Jemen, Ezra Acayan von den Philippinen oder Mohammed Badra aus Syrien vor Augen führt. Insgesamt haben sich am diesjährigen Wettbewerb rund 4.700 Fotografen mit fast 80.000 Einreichungen beteiligt.
Für das WestLicht ist die "World Press Photo"-Schau ein nicht wegzudenkender Fixpunkt im Programm, ist sie heuer doch bereits zum 18. Mal in der Fotogalerie zu Gast und hat sich immer wieder als Besuchermagnet erwiesen. Rund 35.000 Interessierte konnte man im Vorjahr begrüßen, womit man einen neuen Rekord verzeichnete. Heuer gibt es bis 20. Oktober die Gelegenheit, die Fotos aus nächster Nähe zu betrachten.