Am Anfang war die grüne Wiese. Es schaut nur auf den ersten Blick wie ein Paradoxon aus: Ein Heavy-Metal-Festival im gleißenden Tageslicht? Das ist nur ein Problem für jene, die sich an Klischees festklammern. Heavy Metal war schon immer mehr Inszenierung, denn reales Bestiarium. Auch wenn die Musik zwischen musikalischem Sperrfeuer, großer Oper und totaler Melancholie dunkelschwarz changiert, lässt sich eines mit Sicherheit sagen: Sie kommen in Frieden. Und sie kommen von überall her.
75.000 Menschen werden von heute bis Samstag das 1800-Seelen-Dorf Wacken nahe Hamburg bevölkern. Ein Drittel davon kommt aus dem Ausland, denn die Welt, die ist ein Dorf und dieses Dorf ist weltberühmt: Was 1990 mit rund 800 Besuchern auf der blanken Wiese begonnen hat, hat sich innerhalb von 30 Jahren zum weltgrößten Heavy-Metal-Festival entwickelt. Und das Dorf ist mittendrin oder besser gesagt: das Dorf und seine Bewohner, sie sind der Nucleus. Vom Dorfwirt bis zum Freibad, das Festival ist für viele Bewohner eine Goldgrube.
Auch wenn viele Festivalbesucher ihre Erleuchtung in der eher düsteren Musik finden, so lädt die Dorfkirche traditionell zur Metalchurch, also mehr Zeitgeist denn heiliger Geist, aber die vorwiegend schwarz gekleideten Schäfchen folgen dem Ruf. Mehr als 200 Bands werden sich am Konzertgelände, auch gerne als „Holy Ground“ bezeichnet, in diesen drei Tagen einfinden. Darunter echte Klassiker wie Slayer, Anthrax oder Uriah Heep. Jetzt könnte man gerne den Einwand vorbringen, dass auf anderen Festivals größere Headliner tanzen, aber dann hätte man den Erfolgsalgorithmus von Wacken nicht kapiert: Das auch dieses Jahr ausverkaufte Festival begreift sich mehr als Großfamilientreffen der Heavy-Metal-Community, denn als musikalisches Hochamt.
Dass Heavy Metal de facto alterslos ist, sieht man auch am Publikum: Seit sechs Jahren machen Bewohner eines deutschen Altersheims einen Ausflug zum Festival, unter den 13 Ausflüglern auch die 92-jährige Ilse Schäfer. Im Gegensatz zur Hitzeschlacht des Vorjahres wird es heuer wohl eher eine Schlammschlacht. Und wenn der Himmel seine Schleusen öffnet, werden 75.000 Menschen die Teufelshand gen Himmel strecken - nur symbolisch, versteht sich.