Er wird es sich heute nicht anmerken lassen, aber bei den Proben konnte er vor Schmerzen zwischendurch fast nicht mehr stehen. Tobias Moretti kämpft noch mit den Folgen einer Knieoperation.
Den „Jedermann“ der Salzburger Festspiele gibt er natürlich trotzdem. Sie gilt schließlich als höchste Schauspieler-Weihe, und die Wiederaufnahme von Michael Sturmingers Inszenierung bildet den Höhepunkt des Auftaktfests, mit dem die Stadt Salzburg dieses Wochenende den Beginn ihrer Festivalsaison feiert. Dazu gehören heute auch noch Mozart-Weisen auf dem Salzburger Glockenspiel, Turmblasen und Fackeltanz auf dem Residenzplatz sowie Fest- und Hochzeitsschnalzer aus dem Pongau.
Bei derartigem Begleitprogramm drängt sich der Schluss auf, das hofmannsthalsche Spiel vom Sterben des reichen Mannes sei nun endgültig Teil der Salzburger Folklore. Was selbstverständlich stimmt, immerhin wird das Stück auf dem Domplatz seit 1920 - mit Ausnahme der Jahre 1938 bis 1945 - ununterbrochen jeden Sommer gespielt.
Hochamt der österreichischen Kulturtradition
Aber es ist und bleibt auch das Hochamt der österreichischen Kulturtradition. Ein „Axiom der Festspiele“ nennt Moretti den „Jedermann“ und hat damit völlig recht: Das von Max Reinhardt auf dem Domplatz installierte Drama ist Voraussetzung und Herz der Festspiele. Und wenn, wie heute Valery Tscheplanowa, auch noch eine neue Buhlschaft antritt, interessiert das nicht nur das klassische Kulturpublikum. Von genau solchen Überschreitungen lebt der Kulturbetrieb - in Salzburg sogar sehr gut: Die rund 35.000 für den „Jedermann“ 2019 aufgelegten Karten sind allesamt schon verkauft.