Das Kulturjahr 2020 in Graz nimmt Form an: Am Mittwoch haben Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) und Manager Christian Mayer die 89 der 568 eingereichten Projekte vorgestellt, die am Donnerstag im Gemeinderat für das Programm beschlossen werden sollen. Mit dabei sind Bill Fontana, der seine umstrittene Klanginstallation von 1988 wiederbeleben will, sowie Uhrturm-Schatten-Schöpfer Markus Wilfling.
Nagl will die "Implosion und Explosion" vom Kulturjahr 2003 aufleben lassen und mit den vom Programmbeirat ausgewählten Projekten "den kritischen Blick der Kunst auf unsere Zukunft" ins Zentrum stellen. Vorgabe des Calls war das Thema "Urbane Zukunft" und die ausgewählten Projekte sollen auch alle den Bezug dazu haben, betonte der Vorsitzende des Beirats Christian Mayer.
Mit Fokus auf die Bezirke
Kulturstadtrat Günter Riegler unterstrich, dass die fünf Millionen Euro Budget als Fördermodell zu sehen sind: "Wir werden keine Stars zukaufen, die dann wieder fahren." Vorgabe war eine starke Involvierung der Grazer Kunst- und Wissenschaftsszene und es sollen möglichst alle Grazer Bezirke und der öffentliche Raum bespielt werden. Die nun vorliegende Liste erfülle diese Vorgaben. "Es war eine beeindruckend große Zahl an Einreichungen", meinte Riegler.
Der Kulturstadtrat freue sich besonders auf die Wiederaufführung von Bill Fontanas "auditiver Skulptur" vom steirischen herbst aus dem Jahr 1988 "Sonic Projections From Schloßberg Graz", die in der Bevölkerung wegen vermeintlicher Lärmbelästigung umstritten war. Damals gingen Hunderte Notrufe bei der Polizei ein, weil die Bewohner sich gestört fühlten. Nach massiven Protesten endete die Klangskulptur des Amerikaners damals früher als geplant. So klingt seine aktuelle Arbeit.
Mayer beschrieb, dass sich bei den Einreichungen die Schwerpunkte "Umwelt und Klima", "Digitale Lebenswelt", "Stadtplanung und Urbanismus", "Soziokulturelle Aspekte" sowie "Wirtschaftliche Betrachtungen und Arbeit von morgen" herauskristallisiert hatten. Die ausgewählten Projekte spiegeln das nun auch wider. So soll ein Klimapavillon des Vereins Breathe Earth Collective entstehen. Die Gruppe hatte 2015 den Österreich-Pavillon der Mailänder Expo gebaut und diesen nun weiterentwickelt. Er soll Abkühlung in die überhitzte Stadt bringen.
Zum Thema "Digitale Lebenswelt" passt das Musiktheaterprojekt "Nessun dorma", bei dem sich zwei Roboter ineinander verlieben und mit Künstlicher Intelligenz Arien komponieren. "Es ist eine Melange von künstlerischen und wissenschaftlichen Aspekten", schwärmte Mayer. Im Grazer Schauspielhaus wird ein Gastspiel von Rimini Protokoll zu sehen sein: "Unheimliches Tal" bringt einen echten Humanoiden anstatt eines Schauspielers auf die Bühne. Der Verein MVD, der auch schon in Linz beim Kulturjahr 2009 das "Bellevue - Das gelbe Haus" errichtete, wird auch in Graz einen Beitrag mit Schwerpunkt Wohnen leisten - es nennt sich "Das ist ein öffentliches Bedürfnis".
Nagls persönlicher Favorit unter den Projekten ist "Graz. Ortweinplatz", wo "eine 300 Quadratmeter große Bühne aufgebaut wird, die den Platz total verändert". Er erwartet sich dadurch einen Impuls für die künftige Gestaltung des Platzes. Einige weitere der 89 ausgewählten Projekte: "Die Stadt als Datenfeld" in Kooperation mit dem Elevate Festival, "Direkter Urbanismus" von transparadiso, "Queere Geschichte(n)" von Hans-Peter Weingand, "Häfntheater" in Kooperation mit der Justizanstalt Karlau, "Vorgärten in Graz" vom Ökoteam oder auch Martin Behr mit "7000 Pfeffersprays für Graz". Der Schöpfer des Uhrturm-Schattens für das Kulturjahr 2003, Markus Wilfling, geht 2020 an die Mur und wird eine Videoanimation mit dem Titel "Eve or Adam or What?" zeigen.