Die 67-jährige Britin hat das Musikbusiness eben von der Pike auf gelernt: Die aus einer Waliser Bergarbeiter-Familie stammende Rockröhre tingelte jahrelang durch Kneipen und Nachtclubs, ehe 1975 ihre Debüt-Single erschien. So wurden die eineinhalb Stunden mit Bonnie Tyler in der Grazer Helmut List Halle zum nostalgischen Vergnügen, denn die Urkraft dieser Reibeisenstimme ist nach wie vor da. Wenn es mit gewissen Höhen nicht mehr ganz so klappt, "schwindelt" sie sich sympathisch und professionell vorbei. Einen der Höhepunkte des Abends, "Total Eclipse Of The Heart" aus der Feder ihres mehrfachen Hitlieferanten Jim Steinman, will man ja nicht als perfekte Tonträgerfassung hören, sondern in einem spannenden Gänsehaut-Moment mit dem Live-Gespür einer großen Interpretin.

Auch die USA konnte Tyler in ihrer langen Karriere erobern (Anfang der 1980er mit "Faster Than The Speed of Night"), aus ihrem einzigen Nummer-eins-Album in Österreich ("Bitterblue", 1991) hat sie übrigens keinen einzigen Titel im Repertoire dieser Konzertreise. Ob es an der damaligen Zusammenarbeit mit Dieter Bohlen liegt?
Es fehlen aber auch "Lost In France", "Straight From The Heart", "Loving You's A Dirty Job But Somebody's Got To Do It" (womöglich aufgrund eines fehlenden Duettpartners) und ihr Song-Contest-Beitrag aus 2013, "Believe in You". Dafür ist gleich ein halbes Dutzend aus dem neuem Werk „Between The Earth & The Stars“ im Tourgepäck; den Titelsong, "Let's Go Crazy Tonight", "Seven Waves Away" (komponiert von Barry Gibb), "Hold On" und "Older" lernt man auch durchaus gerne kennen, wenngleich das Publikum in der voll gefüllten Halle eben auf "Total Eclipse", "Holding Out For A Hero" und "The Best" (Bonnie ist die Originalinterpretin, Tina Turner nahm dem Ohrwurm ungleich erfolgreicher zwei Jahre später auf) wartet. "It's A Heartache" wurde gleich als dritte Nummer mit ihrer fantastischen Band geboten (stellvertretend genannt sei Gitarrist Matt Priors). Unter den Fans: einige, die die Radiopremiere ihrer großen Hits bewusst wahrgenommen haben.

Als Bonnie Tyler in einer Zwischenmoderation mit ihrem Alter und den Jahrzehnten auf der Bühne kokettiert und sich über eine Wange streicht, gibt sie augenzwinkernd zu: "It's Botox!" Und wirkt rührend, als sie vor den Zugaben ihren Ehemann Robert Sullivan ins Rampenlicht holt, denn sie hätte es wunderbar: Er begleite sie immer auf den Reisen. Seit 1973 sind die beiden verheiratet. Eine Ehe und ein Abend wie einer ihrer Erfolge (den sie allerdings auch nicht spielte): "A Rockin Good Way" (1984). Ihre Deutsch-Kenntnisse (hierzulande hat sie ja das treueste Publikum) verrät sie nebenbei: "Haben Sie Rotwein?" - "Haben Sie Gulaschsuppe?" - "Es schmeckt wunderbar, danke!"
P.S.: An Pension denke sie noch lange nicht.
Weiter geht es nun nach Hannover, Rostock, Dortmund und Frankfurt.
Ein Mitschnitt von "Total Clipse" bei der Show in Helsinki: