Sein finales musikalisches Lebenszeichen gab er bereits vor gut 20 Jahren - mit seinem 1998 veröffentlichten, schlicht selbstbetitelten Solalbum. Nun starb Mark Hollis, einst der Kopf/Sänger der Musikgruppe Talk Talk, im 65. Lebensjahr. Der 1955 in Tottenham Geborene hatte mit "Such a Shame" oder "It's My Life" in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre mit Bandkollegen Lee Harris, Paul Webb und Tim Friese-Greene ein immerhin kleines Bouquet von Hits. Hits, von denen er selbst relativ bald genug hatte.

Früh war klar, dass es den Briten in völlig konträre künstlerische Richtung zieht. Weg vom blutleerem Synthie-Pop, der die Charts in diesem Jahrzehnt nährte, hinüber in eine ganz andere Richtung. Mit den beiden noch mit Talk Talk eingespielten Alben "Spirit of Eden" und "Laughing Stock" legte der Mann mit der markanten Stimme 1998 und 1991 zwei höchst eigenwillige Meisterwerke vor. Gedacht als Gesamtaufführung, waren es komplexe und meist mit akustischen Instrumenten (Holzbläser!) eingespielte Liedzyklen. Hollis verweigerte sich zusehends den üblichen Mechanismen des Marktes, gab keine Interviews mehr. Die Plattenfirma verzweifelte - hier war Enigma, aber längst kein kommerziell verwertbares Material mehr zu finden. Kunstvolle Verweigerung.

Die alten Hits - solide Ware mit Ohrwurmcharakter, aber eben die Weichwährung Pop - dürften nach Hollis' frühem Rückzug ins Private das Geld zum Leben in die Kassa gespült haben. Der Brite wurde indes bereits Ende der 1980er-Jahre zum Komponisten der Stille, die Pausen zwischen jedem Tönen so wichtig wie die Musik selbst. Sein Soloalbum war beinahe schon Kammermusik der reduziertesten Art, jedes Saitenschnarren, jedes Klavierpedal, jeder Atemzug war darauf zu hören. Ein berühmtes Zitat aus dem letzten Interview, das der Brite 1998 gab, sagt alles: "Bevor Du zwei Noten spielst, lern' eine zu spielen. Und spiel' diese eine Note nicht - es sei denn, Du hast einen Grund dafür."

Hollis' musikalischer Nachlass ist mit sechs Alben und einer längst vergriffenen Live-Aufnahme von 1986 quantitativ schmal. Die Musik seiner späten Jahre wurde indes für die viel zitierte Ewigkeit gemacht. Ihr zuzuhören war nie wichtiger - als Gegenmittel zur verlärmten Welt von heute. Die 18 Sekunden Stille, die es zu erfühlen gilt, bevor "The Colour of Spring", das erste Lied seines Soloalbums, beginnt: wunderschön.

Die Tiefe: unbezifferbar.