Hiob“ von Joseph Roth ist ein Roman über den orthodoxen Thora-Lehrer Mendel Singer. Was erzählt uns seine Geschichte über die Gegenwart?
PETER SIMONISCHEK: Es ist die Familiengeschichte des Mendel Singer aus der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert, in einem orthodoxen Städtel in Galizien – eine für uns eher fremde, aber faszinierende Welt. Auf die Frage, was uns das heute zu sagen hat, gibt es aus unterschiedlichen Aspekten viele Antworten. Es ist eine so reiche und sonderbare Welt, mit der uns Joseph Roth da konfrontiert, dass auch die Bezüge zur Jetztzeit so vielfältig sind, dass sie von befremdlich und seltsam bis vertraut und bewundernswert reichen. Ich bin kein Freund von Interpretationsfuror am Theater. Ich bin ein älteres Semester und so, wie ich mir gerne meine eigene Meinung bilde, möchte ich auch mein Publikum insofern ernst nehmen, als ich ihm eine solche literarische Kostbarkeit auf der Bühne so anbiete, dass es die Freiheit hat, seine Haltung dazu selbst zu finden. Was nicht heißt, dass wir keine eigene haben, aber wir vermeiden den Zeigefinger.