Der Zoo-Palast, einstiges Premieren-Kino zu Berlinale-Zeiten, als es noch Westberlin gab. Gestern, Dienstag, gab es dort wieder eine Premiere, obwohl das Herz der Berlinale schon lange am Potsdamer Platz schlägt: Die ersten beiden Folgen von "M - eine Stadt sucht einen Mörder" von David Schalko, produziert für den ORF und vorgestellt in der Sektion Series der Berlinale, wurden erstmals gezeigt.
Seine Figur des Kommissars habe "Beton im Gemüt", sagt Christian Dolezal, der den Ermittler in der sechsteiligen Serie gibt, im Gespräch mit der APA, stilgerecht in der Fritz Lang-Bar des Hotels gegenüber des Zoo-Palast. Reduziert und wortkarg sei diese Figur, aber Regisseur Schalko "wollte sie noch karger".
Die Vorlage des Fritz Lang-Films dürfe in gewisser Weise mit jener von Schalko verglichen werden, sagt Dolezal, denn "die Mechanismen sind wunderbar übertragbar, wie ein Blick von oben, wie Gruppen auf gewisse Irritationen reagieren: Wie arbeiten Politik, Polizei, Unterwelt und Medien miteinander, um auch ihren eigenen Vorteil herauszuschlagen." Die Muster seien überall gleich, sie änderten nur ihre Form, so Dolezal.
Der österreichische Schauspieler ist erstmals auf der Berlinale zu Gast, hat aber bisher nur Empfänge und Partys erlebt, keine Filme. Ihn beeindrucke die Aufmerksamkeit, die den Künstlern hier entgegengebracht werde, "denn solange wir Menschen bewegen können, haben wir die Macht, unsere Statements zu formulieren". Das meine er durchaus politisch, sagte Dolezal. Es sei kein Zufall, dass autoritäre Regime Kunst missbilligten. Angesprochen auf die Lage in Österreich sagte er, dass es unter der derzeitigen Regierung nicht leichter geworden sei, Subventionen zu bekommen, aber "die Kunst muss von der Gemeinschaft finanziert werden, so wie sie sich Schulen oder Schwimmbäder leistet".
Begegnung mit Bela B.
Als nahezu surreales Erlebnis bei den Dreharbeiten zu "M" nannte Dolezal die Begegnung mit Bela B., "wenn einer der Helden meiner Jugend am Set neben mir steht, den ich in der Jugend verehrt habe". Er sei ein Fan des österreichischen Films, sagt dieser Bela B., einstiges Mitglied der Band "Die Ärzte", im APA-Interview. Der düstere Wiener Humor sei ein anderer als bei Dreharbeiten von deutschen Filmen.
Als es um seine Rolle in "M" ging, habe er "Schnappatmen gekriegt", gesteht Bela B., er habe mit eine Absage gerechnet, damit, "dass man dann doch den gefunden hat, den man eigentlich für die Rolle wollte". Es sollte aber Bela B. sein, und der gebürtige Berliner mutmaßt sogar, dass ihm Schalko die Rolle des bleichen Mannes auf den Leib geschrieben haben könnte.
Für Bela B. ist "M" seine erste Serie, ein Format das nach seinen Worten seit 15 bis 20 Jahren nicht aufzuhalten sei. Er selbst konzentriere sich jetzt auf seinen ersten Roman, der in zehn Tagen herauskomme und auch in Wien vorgestellt werde. So wie sein Kollege Dolezal hat er "M" noch nicht gesehen. Dolezal sagt, er wolle sich das Kinoerlebnis nicht "vorher madig machen lassen".
Und so sitzen Schauspieler und Fans, Berliner und eigens Angereiste um 18 Uhr 30 im riesigen Saal des Zoo-Palasts und erleben die ersten beiden Folgen von "M - eine Stadt sucht einen Mörder" gleichermaßen als persönliche Premiere.
Nach eineinhalb Stunden brandet Applaus auf, durchbrochen von einigen Bravos. 130 Schauspieler haben mitgewirkt, 26 Beteiligte, vom Produzenten bis zum Schnitt stehen schließlich auf der Bühne: Von Lars Eidinger bis Sophie Rois, von Udo Kier bis Johanna Orsini-Rosenberg. Besonders großen Applaus gibt es für Regisseur David Schalko und Bela B.. Fragen aus dem Publikum werden trotz mehrfacher Aufforderung allerdings nicht gestellt. So fällt diese Aufgabe dem Moderator zu.
Vor fünf Jahren habe er "M" von Fritz Lang erneut gesehen, erzählt Regisseur Schalko, und sei fasziniert von den politischen Parallelen gewesen, "die vielleicht in Österreich stärker sind als in Deutschland". Und Lars Eidinger ergänzt: "Zuerst dachte ich, es sei ein Remake wie von der Titanic. Aber es ist lediglich der Titel gewesen." Für ihn sei der Film metaphorisch, denn die Menschen würden darin sich selbst suchen. "Wir haben nicht die Fremden verantwortlich zu machen, sondern das Fremde in uns selbst", sagte Eidinger.
Am Ende: Party
Um 21 Uhr trifft man sich zur Film-Party ein paar Schritte weiter, über den Dächern, in der Monkey-Bar. Die heißt so, weil man zwar auf der einen Seite auf die Gedächtniskirche, auf der anderen aber ins Affengehege des Zoos sieht. Sehen könnte, wäre die Tageszeit eine andere. Und da sind sie wieder, die man gerade erst auf der Leinwand und dann vor der Leinwand gesehen hat. Und einige mehr, wie ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und Programmdirektorin Kathrin Zechner. Das Buffet ist allerdings nicht österreichisch: Mashawsha, karamelisierte Auberginen, Pavlava mit marinierten Beeren. Die Weine kommen vornehmlich aus der Pfalz, die Gäste aus Österreich.