Werbeprofis dürften heute noch darüber staunen, wie das möglich ist: Auch 100 Jahre nach ihrer Gründung ist die legendäre Kunstschule noch immer in aller Munde – dabei hat sie nur ganze 14 Jahre existiert. Doch ihre Strahlkraft reicht bis ins Heute, wobei sich die Leuchtkraft gleich mehrfach aufgespalten hat. Während die einen beim Begriff sofort an Architektur denken, haben andere Designklassiker im Sinne, andere wiederum mögen an die Frage denken: Knoblauch oder Zwiebel? Das Bauhaus, ein Ort der Kunst, nein, eigentlich drei Orte der Kunst, die nach den Gräueln des Ersten Weltkrieges die Vision eines Aufbruchs im Sinn hatten. Eine Neuerfindung und Zusammenführung von Kunst und Handwerk. Ein Dach für Neues, für Experimente, für Ideen. 1933 war damit Schluss, die Nationalsozialisten hatten eine andere Idee davon, wie Gesellschaft zu sein hat.
Der Gründer: Eine große Vision
Aufbruch nach dem Umbruch: Die Schrecken des Ersten Weltkrieges, des ersten industrialisierten Krieges, haben in der Gesellschaft tiefe Spuren hinterlassen. Architekt Walter Gropius (Bild links) schwebte mit der Gründung des „Staatlichen Bauhauses“ am 12. April 1919 eine ganz besondere Ausbildungsstätte vor, die weit über das Gelernte hinausreichen sollte. Die Vision: Gestalter auszubilden, die Alltag und Gesellschaft neu, humaner denken. Die Art des Unterrichts, von Gropius erdacht, war ungewöhnlich: Die Schüler experimentierten mit Formen, Farben, Material und wurden in Meisterklassen ausgebildet. Die Lehrenden waren Künstler der Avantgarde, darunter Paul Klee, Wassily Kandinsky, Lyonel Feininger und László Moholy-Nagy. Fertige Studenten übernahmen als Jungmeister die Leitung von Werkstätten, darunter auch Marcel Breuer, der durch seine Stahlrohrmöbel berühmt wurde.
Die Standorte: Auf der Flucht
Zweimal musste das Bauhaus aufgrund politischen Drucks umziehen: 1919 gründete Walter Gropius das Staatliche Bauhaus durch die Zusammenlegung von Kunstgewerbeschule und Kunstschule. Das Gebäude des Architekten Henry van de Velde wurde der Sitz des Bauhauses (Bild unten). Heute ist es die Bauhaus-Universität. Politischer Druck machte 1925 den Umzug nach Dessau notwendig. Das Gebäude (Bild oben) wurde von Walter Gropius entworfen. 1932 schloss die NSDAP das Staatliche Bauhaus. Der damalige Leiter, Ludwig Mies van der Rohe, versuchte es in Berlin als private Einrichtung fortzuführen. 1933 wurde es aufgelöst.
Design: Form folgt Funktion
Sie sind die Bauhaus-Botschafter in der breiten Öffentlichkeit: die Bauhaus-Design-Klassiker. Allen voran die Bauhaus-Leuchte, eine Tischlampe, die 1923 von Wilhelm Wagenfeld und Carl Jacob Jucker entworfen und mehrfach verändert wurde. Zur damaligen Zeit war sie für eine breite Masse viel zu teuer. Erst in den 80er-Jahren wurde sie zum Verkaufsschlager – und ist es bis heute.
Esoterik am Bauhaus: die Zwiebel
Johannes Itten war einer der ersten Lehrenden am Bauhaus. Walter Gropius lernte den Schweizer Maler durch seine Frau Alma Mahler (Bild oben) kennen. Itten brachte theosophische und anthroposophische Schriften ans Bauhaus. Disziplin und Leibesübungen sollten die Vergeistigung der Künstler unterstützen. Er bevorzugte eine strenge vegetarische Diät, darin hatte die Zwiebel eine Ausnahmestellung. Er war Anhänger der Mazdaznan-Lehre, einer reformierten Version des Zoroastrismus. 1923 überwarf er sich mit Gropius.
Bauhaus weltweit: Sie trugen den Freigeist in die Welt hinaus
Nach Repressalien der NSDAP, Verhaftung von Studenten, Versiegelung der Räume, blieb dem Bauhaus nur mehr die Selbstauflösung. Viele Bauhäusler mussten aufgrund ihrer jüdischen Herkunft das Land verlassen. Während Walter Gropius und Marcel Breuer die Architekturfakultät in Harvard aufbauten, wurden in Tel Aviv von Bauhaus-Architekten ab den 1930er-Jahren mehr als 4000 Gebäude gebaut. Die Stadt verfügt somit weltweit über die größte Ansammlung an Gebäuden, die im Bauhaus-Stil gebaut wurden.