Mit "Arik - die wunderbar realistische Welt des phantastischen Herrn Brauer" führte Ruth Brauer-Kvam das begeisterte Publikum am Freitag im ausverkauften Wiener Rabenhof-Thater durch das Leben ihres Vaters Arik Brauer. Anlässlich seines 90. Geburtstages setzte sie mit den gelungenen Neuinterpretationen seiner bekannten Lieder neue Akzente und feierte das Leben ihres Vaters als Gesamtkunstwerk.
Brauer selbst war zusammen mit Familie und viel Prominenz aus Kunst und Kultur im Publikum, was zu einer sehr familiären Atmosphäre führte: Die Premiere wirkte weniger wie ein klassischer Konzert- oder Theaterabend, sondern wie eine tatsächliche Geburtstagsfeier für den jüdischen Ausnahmekünstler aus Wien Ottakring, der den Phantastischen Realismus begründete und nebenbei auch oft als "Vaters des Austropops" bezeichnet wird.
Brauer-Kvam begann ihr rund 80-minütiges Programm mit der Geburt ihres Vaters: Im für Arik Brauer typischen Outfit aus schwarzem Sakko und Hut springt sie aus dem weißen Licht und eröffnet mit "Geburn für die Gruabn". Mit ihrem expressionistischen Spiel schlüpft sie in die Rolle ihres Vaters und gibt anhand von Anekdoten, Dichtungen und Liedern mit großer Stimmgewalt und Wandelbarkeit einen Überblick über dessen Leben von der Jugend während der NS-Zeit bis zu seiner Rückkehr von Paris nach Wien. Der jeweilige Entstehungskontext der vielen Klassiker wie "Surmi Sumi", "Sie hab'n a Haus baut" und "Reise nach Afrika" erschließt sich so dem Publikum, was den Genuss der ohnehin schon wunderbaren Lieder noch verstärkt.
Mal albern und ausgelassen, mal melancholisch und zornig vermittelt die Schauspielerin und Sängern mit viel Körpereinsatz ihre eigenen Interpretationen der Werke des Vaters. Gerade die kritischen, pessimistischen und nachdenklichen Liedtexte werden musikalisch noch betont - ein Gegensatz zur meist heiteren Musik der Originale. Dies wird besonders bei "Spiritus" und "Köpferl im Sand" deutlich, die geradezu deprimierend wirken. Einige andere Lieder, wie "Die Jause", werden sogar gänzlich ohne musikalische Begleitung vorgetragen.
Die Stücke drücken aber keineswegs auf die Stimmung. Die neu arrangierten Lieder weisen oftmals Klezmer-Einflüsse auf und werden zuweilen musikalisch sehr abstrakt, ohne dabei ihren Humor zu verlieren. Der Ehemann von Brauer-Kvam, Kyrre Kvam, übernahm für das Programm die musikalische Leitung und setzte mit seiner Neuinterpretation der Lieder neue Akzente, die zwar nicht so leicht ins Ohr gehen wie Arik Brauers Originalversionen, aber eine andere, sehr eindringliche Deutung der Musik und Texte ermöglicht. Das erklärte Ziel, Brauers Musik einer zeitgenössischen Ausrichtung zu unterziehen, ist damit geglückt. Das aus dem Cellisten Carles Munoz Camarero, dem Schlagzeuger Lukas Knöfler und dem Akkordeonspieler Milos Todrovski bestehende Ensemble betonte die vielen unterschiedlichen Atmosphären der Lieder und Erzählungen von überschwänglicher Heiterkeit bis zur nagenden Verzweiflung eindrucksvoll.
Das von Brauer selbst gestaltete Bühnenbild setzte sich aus vielen eigens für die Produktion geschaffenen Illustrationen zusammen, die auf Lieder und Episoden aus dem Leben des Künstlers verwiesen: Nachdem die dazugehörige Episode behandelt war, drehten sich diese um und gaben einen Mosaikstein eines großen Gemäldes preis, das abschließend vervollständigt die ganze Bühne umspannte. Regisseur und Hausherr Thomas Gratzer fügte das phantastische Bühnenbild, das durch die Lichttechnik noch unterstützt wurde, mit dem Schauspiel und der Musik zu einem wahrhaftigen Gesamtkunstwerk zusammen.
Das begeisterte Publikum feierte die Aufführung mit stehenden Ovationen. Arik Brauer dürfte die Darbietung ebenfalls sehr gefallen haben, denn zum Abschluss der Vorstellung umarmte er seine Tochter zum Dank überschwänglich, bevor ihm noch eine große Geburtstagstorte überreicht wurde und der Abend als große Geburtstagsfeier bei Kuchen und Getränken beschlossen wurde.
Martin Auernheimer/APA