Während im Jahr 2005 der damalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel über Wochen überhaupt keine öffentliche Äußerung von sich gab, vermeide Bundeskanzler Sebastian Kurz wiederholt jedwede Reaktion zu für ihn unangenehmen Themen sowie zu Handlungen und Äußerungen von Mitgliedern der Koalitionspartei, bei denen die Öffentlichkeit eine klärende Aussage des Bundeskanzlers erwarten durfte. Dies habe ihm die Titulierung "Schweigekanzler 2.0" durch einen führenden Politologen eingetragen, erläuterte die Jury.
In beiden Fällen wurde es mit deutlichem Abstand - heuer mit 2.403 von 10.463 abgegebenen Stimmen - an die erste Stelle gewählt. Die Suche nach dem Wort des Jahres wird jährlich von der Gesellschaft für Österreichisches Deutsch (GSÖD) in Kooperation mit der Austria Presse Agentur (APA) veranstaltet.
Damit ist Kurz übrigens auch in dieser Hinsicht der Nachfolger von Christian Kern: der inzwischen aus der Politik ausgeschiedene frühere SPÖ-Chef und Bundeskanzler hatte mit seinem "Vollholler" für das "Wort des Jahres 2017" gesorgt.
Rang zwei
Den zweiten Rang erreichte das "Nichtrauchervolksbegehren", den dritten "#MeToo", ein Begriff, der für die Aufdeckung des Machtmissbrauchs durch Männer in Spitzenpositionen gegenüber Frauen im Allgemeinen und in der Filmbranche im Besonderen, stehe. Die davon ausgelöste Bewegung hatte bis nach Österreich Auswirkungen.
Wegen ihrer "Originalität" verdienen nach Ansicht der Experten auch die Plätze vier und fünf eine besondere Erwähnung. Die Begriffe "Ponyzei" und "Gaulreiter" thematisieren beide die umstrittene Anschaffung von Pferden für die Polizei. Letzterer stellt zudem ein Wortspiel mit der Vorlage "Gauleiter" dar.
Das Unwort des Jahres
Zum Unwort des Jahres wurde "Datenschutzgrundverordnung" gewählt. Ein "Wortungetüm", das für die an sich wichtige Zielsetzung des Schutzes der privaten elektronischen Daten stehe. Seine komplizierte und mit hohem bürokratischen Aufwand verbundene Umsetzung - sowie die Tatsache, dass die großen internationalen Akteure im Umgang mit Daten von den Regelungen kaum betroffen sind - mache die Sache zu einer "Perversion des gut gemeinten Vorhabens".
Die Formulierung "konzentrierte Unterbringung", heuer auf Platz zwei des Unwort-Rankings, entwickelte sich aus einer Äußerung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), der Asylwerber "konzentriert an einem Ort halten" wollte, um die Asylverfahren zu verkürzen. Den Anklang an die "Konzentrationslager" nahm er in Kauf, das "sei keine Provokation". Für einen auf die Verfassung vereidigten Innenminister sei dies jedoch eine bemerkenswerte Äußerung, begründete die Jury.
Rang drei der Unwörter belegte "Arbeitszeitflexibilisierung". Obwohl der Begriff für alle Beteiligten grundsätzlich eine positive Maßnahme darstellen könne, führte die von der Bundesregierung eingeführte Reform zu einem Ungleichgewicht zugunsten der Arbeitgeber, sodass viele Arbeitnehmer das Gefühl haben, erpressbar zu sein, wenn sie der Forderung, Überstunden "freiwillig" zu übernehmen, nicht nachkommen. Dies mache das Wort zu einem verhüllenden Ausdruck, hieß es von der Jury.
Das Jugendwort des Jahres
Das Jugendwort 2018 - mit 2.606 aus 7.436 abgegebenen Stimmen - wurde "Oida". Das genuin österreichische Wort werde schon seit längerem verwendet, der Umfang seiner Bedeutungen sei jedoch größer geworden, erklärte die Jury. Er reiche vom erstaunten Ausruf mit verschiedenen Bedeutungen bis hin zu einer wenig verhüllten Drohung. Diese "semantische Vielseitigkeit und universelle Einsetzbarkeit in vielen kommunikativen Situationen" sei es, die es zu einem "echten Jugendwort" macht. Zum Sieg habe möglicherweise auch der Umstand beigetragen, dass ein junger Mann für die Verwendung des Wortes im Gespräch mit einem Polizisten unverständlicherweise eine Verwaltungsstrafe von 100 Euro aufgebrummt bekommen habe, führte die Jury aus. Den zweiten Platz in dieser Kategorie erreichte "nice" - ein Superlativwort, das früher verwendete Wörter wie "super", "klass", "spitze", "toll" usw. ersetzt habe.
Eine ungläubige Frage vom früheren NEOS-Vorsitzenden Matthias Strolz hat es zum Spruch des Jahres geschafft. "Frau Minister, was ist mit Ihnen?!" wollte er im Rahmen einer Parlamentsdiskussion über die Abschaffung des Nichtraucherschutzgesetzes von Gesundheits- und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) wissen. Diese hatte zuvor die Abschaffung des Rauchverbots und damit indirekt das Rauchen verteidigt.
Der Unspruch des Jahres
Den Unspruch des Jahres tätigte Hartinger-Klein sinngemäß selbst in einem Fernsehinterview: "Man kann sicher von 150 Euro im Monat leben". Man werde trotz der geplanten Kürzung der Mindestsicherung "leben können", sagte die Sozialministerin auf oe24.tv. Auf die Bemerkung des Interviewers, "wenn man von 150 Euro leben kann", antwortete sie: "Wenn man die Wohnung auch noch bekommt, dann sicher." Der Ausspruch löste große Empörung und wochenlange Diskussionen aus.