APA: Sie starten nun Ihre Tour und kündigen zugleich an, sich von der Figur Conchita entfernen zu wollen. Ist das ein reales Vorhaben oder die Marketingaktion, um zehn Jahre a la Tina Turner auf Abschiedstournee zu gehen?
Conchita: (lacht) So ganz ist es nicht. Von Conchita wird man sich so schnell nicht verabschieden können. Es gibt schon einige Projekte, die ich noch unter diesem Namen machen möchte. Aber ich habe mir natürlich Gedanken gemacht, wie die kommende Tour heißen könnte und was ich damit sagen will. Mit "So weit, so gut" ist es tatsächlich ein Resümee über viele Jahre Showbusiness geworden. Ich bin ja in der Branche seit ich 17 bin. Und ich habe mich in diesen Jahren tatsächlich im wesentlichen mit einem Genre befasst: der dramatischen Seite der Popmusik. Ich kröne diese Zeit mit dem unglaublich tollen Orchesteralbum und der Tournee, bei der ich Geschichten erzähle, die ich noch nicht erzählt habe und Songs singen werde, die man noch nicht von mir kennt. Scherzhaft ist es eine Abschiedstournee - ich will mich künstlerisch weiterentwickeln, und das wird nächstes Jahr passieren.
Wird die Tour dann quasi Conchita-Unplugged nach dem monumentalen Album "From Vienna With Love"?
Die Tournee ist tatsächlich ein bisschen die Unplugged-Version des Orchestermaterials. Aber zugleich möchte ich in der Tour auch andeuten, wohin es geht: Es wird elektronischer werden, und ich werde beide Welten zu vereinen versuchen.
Wissen Sie schon, wie Conchita im Sommer 2019 aussieht und was sie macht?
Ich finde es sehr schmeichelhaft, dass Sie mich für so intelligent halten, dass ich das im Vorhinein geplant hätte. Ich habe nach wie vor keinen Plan! Ich weiß noch nicht einmal, wie ich in zwei Monaten aussehen werde. Mein aktuelles Haar ist passiert, als mein Freund Sebastian, der meine Frisur macht, eine alte Perücke von mir nahm und meinte "Daraus mache ich jetzt einen Shag". Er macht das, ich setze sie auf, und ich wusste: That's it for now. Ich weiß, wo es künstlerisch hingeht und wie ich klingen werde, aber ich habe ansonsten keine Ahnung wie 2019 wird.
Sehen Sie diese Modifikation der Figur als Befreiung oder als natürlichen Prozess der Weiterentwicklung?
Befreiung ist ein sehr starkes Wort für das, was hier passiert. Denn "Veränderung ist die einzige Konstante im Leben". Ich bin aufgewachsen mit Sätzen wie "Geh nicht wie ein Mädchen", "Das macht ein Bursch nicht". Und dann fragt man sich: Aber bin ich dann, wenn ich Mann bin, Mann genug für diese Gesellschaft? Was dann passiert ist, ist, dass ich meine weibliche Seite zu einem Exzess ausgelebt habe, wie es wahrscheinlich viele nicht können und wollen. Ich habe diese Seite in mir kennengelernt und gelebt. Und dann kam etwas total Narzisstisches: Ich habe aufgrund von vielem Essen an mir etwas entdeckt, das ich nicht kannte: einen Bauch. Mir war klar: Das muss weg. Ich habe dann einen wahnsinnig tollen Trainer gefunden. Ich habe dann im Laufe der Zeit gesehen, wie sich mein Körper verändert und wie sich meine Performance verändert, weil ich auf einmal jeden Muskel in meinem Körper spüre. Auf einmal tanze ich - wer hätte das gedacht?! Plötzlich sieht man eine andere Person im Spiegel, die ich nicht kannte. Offensichtlich ist mir die Schubladenkategorie meines Geschlechts wichtiger, als ich dachte. Andererseits habe ich ein Riesenproblem mit Klischees. Es ist halt einfach das Leben passiert.
Ist es nun denkbar, die etablierte Marke Conchita hinter sich zu lassen?
Es gibt so wahnsinnig viele Überlegungen. Natürlich denkt man darüber nach, was dieser Name mir bedeutet und was den Menschen. Mein nächstes Album kommt definitiv noch unter "Conchita" heraus. Und ich habe verstanden, dass dieser Name und das, was damit impliziert wird, vielen Menschen auch viel bedeutet. Wenn ich in einem Interview frei von der Leber weg darüber spreche, bombardieren einen in den Sozialen Medien die Fans teils mit solch einer Verzweiflung, weshalb ich ihnen das jetzt wegnehme, dass man fast ein schlechtes Gewissen hat. Natürlich will ich mich selbst verwirklichen und mache das, weil ich mich ausdrücken muss. Aber ich habe schon auch verstanden, dass es Menschen gibt, die das vermissen würden, weil es ihnen was gibt.
Beim Geburtstagskonzert am 8. Dezember im Wiener Museumsquartier wird also nicht dramatisch die Perücke heruntergerissen?
Nein! Ich habe drei Mörderlooks - da wird überhaupt nichts an mir herumgerissen. Ich habe vor, umwerfend auszusehen!
Ein Blick auf das neue Album: Was ist der Rote Faden der Songs für Sie?
Der Rote Faden ist auf vielen Ebenen offensichtlich: Alles ist Orchestermusik, viele davon sind Filmmusik, und damit ist das eine Liste, bei der niemand zweifelt, dass ich sie rausgesucht habe. Das ist das Album, das sich wahrscheinlich alle nach dem Song Contest gewünscht hätten. Für mich ist es ein absolutes Geschenk. Das sind die Songs, die ich mit zehn Jahren vor dem Fernseher gesungen habe. Der Entstehungsprozess war lang und schwierig. Mit Dorothee Freiberger, meiner Arrangeurin und Produzentin, war das aber so lässig. Wir haben uns die Zeit genommen und fachgesimpelt. Ich habe so viel dazugelernt.
Stehen Sie lieber mit dem Orchester oder Ihrer Band auf der Bühne? Das sind ja doch zwei verschiedene Welten...
Da kann ich mich nicht entscheiden! Bei meinen Bandkonzerten kann ich unfrisiert sein und den Song noch mal anfangen, wenn mir der Text nicht einfällt. Und wenn ich die Tonart nicht finde, macht man einen lustigen Moment draus. Vor dem Orchester sehe ich mich weniger a la "Wisst Ihr was, wir machen's noch mal". Aber wenn einen 60 Menschen instrumental begleiten, erzeugt das eine Kraft, die kann man sich nicht vorstellen. Zugleich will man es eben auch nicht vergeigen. Ich liebe Improvisieren, ich mag aber auch den Druck - den mache ich mir ja selbst.
Weitere Konzerte mit den Symphonikern nach dem 20. Oktober sind aber nicht geplant?
Wissen Sie, was die kosten?! Ich weiß schon, dass das nicht mein letztes Orchesterkonzert sein wird. Aber eine Tour mit Orchester zu stemmen, wäre surreal.
Für die Conchita der Zukunft ist aber klar, dass es bei der Musik bleibt? Sie werden nicht Bodybuilder oder Aerobic-Guru?
Genau. Mein nächstes großes Projekt ist das zweite Album. Wir haben schon zig Songs eingesungen, und es ist eine ganz andere Welt. Natürlich bin ich nervös, weil ich nicht weiß, ob die Menschen das annehmen. Die wenigsten wissen schließlich, dass ich privat Massive Attack höre und ein riesiger Trip-Hop-Fan bin. Ich habe jetzt aber verstanden, was es heißt, ein Künstler zu sein: Musik zu machen, die so authentisch ist, weil es meine Geschichten sind.
Das bedeutet, es gibt nur eigene Songs und keine Covernummern?
Genau. Ich bin nicht gut darin, Texte zu schreiben und Melodien zu finden. Aber ich bin gut darin, ein Gefühl zu vermitteln, Geschichten zu erzählen. Ich habe in diesem Prozess des Songwritings meinen Platz gefunden.
Martin Fichter-Wöß/APA