Im 13. Programm seiner Karriere blickt Andreas Vitasek in die österreichische, vor allem aber in die eigene Seele. Bei der Premiere von "Austrophobia" am Dienstagabend im Wiener Stadtsaal präsentierte sich der 62-Jährige gar nicht als "Triskaidekaphobiker" - also Fürchtender der Zahl 13 - sondern vielmehr als temporeicher Alleinunterhalter, der auch das Zwiegespräch mit dem Tod nicht scheut.
Gebe es das Krankheitsbild der "Austrophobie" tatsächlich, wäre das keine große Überraschung, da die Alpenrepublik doch viele Dinge oder Situationen bereit hält, die sich als profunde Angstauslöser eignen. Trotz alldem stelle er keineswegs den Typus des voll ausgeprägten "Austrophobiker" dar - er komme nur manchmal "nicht gerne heim", so Vitasek. Andererseits werde man mittlerweile auch in Frankreich von Norbert Hofer-Fans angesprochen, gibt der Kabarettist im Rahmen seines vor allem im ersten Teil sehr dicht mit Pointen und pointierten Beobachtungen besetzten neuen Programms zum Besten.
Kritik an "Servusland"
Entgegen mancher Vermutung angesichts des Titels arbeitet sich Vitasek nicht unbedingt an der schwarz-blauen Regierung ab, platziert aber vielerorts starke, vermeintlich aus der Hüfte geschossene Pointen und Seitenhiebe. So sieht er etwa im F im Versal quasi den einzigen Unterschied zwischen der AfD und der FPÖ. Treffsicher beklagt er das neuerdings ungeniert vor sich hergetragene "Heimatgetue" inklusive "Dirndlromantik" im "Servusland", stellt FPÖ-Politiker in Tracht optisch in die Nähe des nordkoreanischen Machthabers und denkt laut über das offenbare Opfern der Neutralität auf einer Hochzeit nach. Trotzdem springen "alle auf diesen stehenden Zug auf" - auch diverse Teile der SPÖ. Ins typisch alpenländische Lamento verfällt Vitasek jedoch nicht, denn: "Die Künstler sind natürliche Feinde der Nationalisten."
Neben Schilderungen mitunter entrischer Begegnungen mit dem geneigten und abgeneigten Publikum, die tief in das viel zitierte "Goldene Wienerherz" und die Untiefen der österreichischen Seele blicken lassen, schont Vitasek vor allem weder sich, noch die Seinen: Genüsslich bringt er all die "billigen Witze", die seine Frau und Kinder gerne aus dem Programm entfernt haben wollten, oder breitet freudig aus, wie sein katzengroßer Hund "mit Vorlage wichst". Wie viel von alledem frei erfunden ist, ist ebenso fraglich wie egal - die Geschichten sind gut und kamen beim Premierenpublikum ebenso an.
Hemdsärmelige Wuchteln
Immer wieder stellt er sich dem eigenen Gewicht und vor allem dem Alter: "62 ist alt, außer man stirbt", so Vitasek, der etwa feststellt, dass die Frequenz der Begräbnisbesuche zunimmt und man manche Bekannte mittlerweile ausschließlich bei solchen Ereignissen trifft. Trotz der hohen Frequenz an hemdsärmeligen Wuchteln und Pointen zum Nachdenken achtet Vitasek in "Austrophobie" auf Rhythmus- und Stimmungswechsel. Die Brücke in die persönlichen, politisch-weltanschaulichen und austro-historischen Abgründe schlägt er das eine oder andere Mal vielleicht ein Stück zu abrupt, die vielen Übergänge gehen ihm insgesamt aber leicht von der Hand.
Mit der nötigen Ruhe ausgestattet, die das großteils starke neue Material mit sich bringt, präsentiert sich Vitasek als Kabarettist, dessen positive Routine etwa im Umgang mit dem einen oder anderen kleineren Hänger greifbar wird. Wer droht sonst schon dem Tod im Handpuppenformat ungestraft mit der Übernahme durch Andre Heller?
Nikolaus Täuber/APA