Die ORF-Neustrukturierung mit Channel Managern und neuen Chefredakteuren für ORF eins und ORF 2 ist durch. Sie haben im Vorfeld davor gewarnt. Waren Sie jetzt überrascht?
Dieter Bornemann: Nein. Grundsätzlich halten wir die Einführung von Channel-Managern – so wie beim Radio – auch beim Fernsehen für eine gute Idee. Allerdings trennt die Reform der Redaktion der Fernseh-Information in zwei Teile und das wiederum halten wir für schlecht. Weil es aus unserer Sicht vor allem dazu dient, den bisherigen Chefredakteur Fritz Dittlbacher abzulösen. Und weil es für Reibungsverluste sorgen wird, wenn die ZiB-Redaktion in eine Mannschaft für ORF eins und eine für ORF 2 aufgeteilt wird. Gleichzeitig wird ein multimedialer Newsroom geplant, in dem die Redaktionen von Radio, TV und Online zusammengelegt werden sollen – da scheint mir eine Trennung der TV-Information nicht schlüssig.
Ist politische Einflussnahme der wahre Grund für die Reform?
Offensichtlich ist ein großer Teil dieser Strukturreform dem geschuldet, dass die Regierungsparteien versuchen, Einfluss auf den ORF zu nehmen. Norbert Steger (FPÖ) ist zum Vorsitzenden des Stiftungsrates gewählt worden, obwohl er lautstark die Arbeit der Redaktionen schlecht geredet hat.
Hat Sie die Vehemenz erstaunt?
Eigentlich nicht. Seit Jahrzehnten versuchen alle Parteien, Einfluss auf den ORF zu nehmen – entweder über Personalentscheidungen und jetzt neu über die Finanzierung. Dass das Gebührenmodell abgeschafft und eine Staatsfinanzierung aus dem Budget gemacht werden soll, halten wir für extrem problematisch. Es würde den Regierungsparteien noch stärkeren Einfluss geben, wenn der Generaldirektor jedes Jahr aufs Neue zum Finanzminister, Medienminister oder Bundeskanzler gehen muss, um das ORF-Budget zu verhandeln. Das Interesse der Politiker am ORF ist ja fast immer das, dass sie im ORF-Programm gut da stehen wollen.
Welche Auswirkungen auf die Redaktionen befürchten Sie?
Schwer abschätzbar. Aber: Die Redaktionen haben in den letzten Jahren an Selbstbewusstsein dazugewonnen und werden sich gegen jeden Versuch der Einflussnahme wehren. Zu glauben, sie sind auf einen Propagandakurs der Regierung zu bringen – wird es nicht spielen.
Ex-ZDF-Chefredakteur Brender hat zuletzt geraten, gegen Angriffe auf die Öffentlich-rechtlichen gerichtlich vorzugehen. Eine Option?
Bei uns leider nicht. Denn in Deutschland ist die „Staatsferne“ der Öffentlich-rechtlichen im Grundgesetz festgeschrieben. In Österreich steht die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zwar auch in der Verfassung, doch Experten sagen mir, das sei juristisch nicht durchsetzbar. Unabhängigkeit ist nicht messbar.
Zur Medienenquete: Welche Themen sollten aufs Tapet?
Wesentlich ist die Sicherung des Medienstandortes. Wir müssen es schaffen, als solcher relevant und attraktiv zu bleiben. Der Konkurrenzkampf besteht ja nicht primär zwischen den österreichischen Medien, sondern es geht vor allem um die Aufmerksamkeit des Publikums, die große Konzerne wie Google, Amazon, Facebook oder Netflix abziehen. Wir brauchen für österreichische Inhalte einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, bei dem die Finanzierung unabhängig ist und Journalisten weiterhin unabhängig, objektiv und kritisch berichten können. Zu sagen, die Privaten machen in Zukunft alle massentauglichen Programme und der ORF soll sich auf die teuren Produktionen konzentrieren, halten wir für den falschen Weg. Eine US-Serie kostet im Einkauf 20.000 Euro, die Produktion einer Folge der „Vorstadtweiber“ gleich 600.000 Euro. Der ORF investiert pro Jahr 100 Millionen Euro in heimische Filmproduktionen. Da hängen viel österreichische TV-Programme und sehr viele Arbeitsplätze dran.
Wie anderen Medien auch kommen dem ORF die Jungen abhanden. Was muss passieren?
Da muss noch viel getan werden, leider hat der ORF gesetzliche Hemmschuhe. Nehmen wir die „ZiB100“ für das Smartphone. Die müssen wir laut Gesetz vorher auf ORF III ausstrahlen. Diese Regelungen sind aus der Zeit gefallen und müssen dringend repariert werden. Erreichen wir das junge Publikum nicht mehr, verlieren wir über kurz oder lang die Legitimation als Sender für alle Österreicherinnen und Österreicher.