Nur verschämt durfte man als Jugendlicher Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre zugeben, ein ABBA-Fan zu sein. Denn damit galt man als Kommerzfreund und gleichzeitig als Feind des Rock. Bekannte man sich zu diesen Wohlklang-„Schlagern“ aus Skandinavien, wurde man fast als Weichei abgestempelt. Dabei konnte man sich in ihre Lieder hineinfühlen, da auch die Texte leicht verständlich (nicht bloß bei „Ring Ring“, „Honey Honey“ oder „SOS“) und gleichzeitig so wahrhaftig waren, bildeten sie doch immer wieder das Leben des Quartetts ab. Inklusive der Scheidungen („The Winner Takes It All“ oder „One of Us“).
Paradox: „ABBA zu mögen war in den 80er-Jahren total uncool“, konstatierte eines der Bs, Björn Ulvaeus. Und das, obwohl es nichts daran zu rütteln gab, dass es sich hier mit mehr als 400 Millionen verkauften Alben um eine der erfolgreichsten Bands der Musikgeschichte handelt.
Endlich Genugtuung
Welche Genugtuung, dass dann rund zehn Jahre nach dem Rückzug von ABBA (eine „Auflösung“ wurde es ja offiziell nie genannt) die Musik des Schwedenquartetts ein Revival erfuhr und sie generationenübergreifend ohne mildes Lächeln bejaht wurde. Selbst die übercoole Madonna verarbeitete einen ABBA-Hit, ein neues Publikum lechzte danach, in der Disco auch zwischendurch zu guten Melodien auszuflippen und nicht bloß zu Techno-Gestampfe den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Und bei uns Alten kamen nostalgische Gefühle auf. Wurde „Gimme! Gimme! Gimme!“, "Dancing Queen" oder „Super Trouper“ bei einem Clubbing aufgelegt, füllte sich der Dancefloor – nicht nur wegen des Bedürfnisses nach Harmonie(n), sondern weil da etwas Kopf, Herz, Bauch und Beine erreichte.
Das Revival
Dieser Umschwung kam durch Coverversionen von ABBA-Ohrwürmern durch andere Pop- und Rockgrößen (selbst U2 performten live „Dancing Queen“), die Hit-Kompilationen „ABBA Gold“ (1992) und „ABBA More Gold“ (1993) läuteten endgültig das Revival ein. Dem das Jukebox-Musical „Mamma Mia!“ (Weltpremiere 1999, die Leinwandadaption wurde 2008 zum Welterfolg) auf den Fuß folgte. ABBA waren wieder hip. Und die Songs galten als zeitlos.
Lebende Mozarts
Und eben nicht bloß als Soundtrack für eine Generation. Benny und Björn, aus deren Feder alle Stücke stammen, sind für mich die lebenden Mozarts dieses Jahrtausends. „Wir gingen nicht einfach ins Studio und haben experimentiert. Wir haben über Monate an drei oder vier Songs getüftelt – und ich meine über Monate. Und dann machten wir uns erst an die Aufnahmen“, erklärte mir Björn bei einem Interview 2016 in Stockholm. Das letzte Album „The Visitors“ etwa enthält nur neun Songs. Füllmaterial war für die Schweden ein Fremdwort. Alles, was ABBA ablieferten, musste perfekt sein.
Ob nun „Take a Chance on Me“, „I Have a Dream“, „Thank You for the Music“ oder „Our Last Summer“: Stets wurde großes Kino für die Ohren geboten, selbst Geschichten über Enttäuschungen wurden musikalisch tröstlich erzählt. Das Zusammenspiel der Stimmen von Agnetha und Frida suchte seinesgleichen, wenn auch zuletzt immer mehr Nummern entstanden, die auf dem Sologesang von einer der beiden basierten. Wie „The Winner Takes It All“, „When All Is Said And Done“ oder „The Day Before You Came“.
Blond oder brünett
Obwohl man als Fan natürlich das „Gesamtpaket“ liebte, gab es zwei Fraktionen: Die eine schwärmte für die blonde Agnetha und ihren helleren Gesang, die andere für die brünette, später rötliche Frida und ihre dunklere, wärmere Stimme.
Ein Comeback kam dennoch all die Jahre nie infrage, einmal hatte ein britisch-amerikanisches Konsortium ABBA sogar eine Milliarde Euro für eine Wiedervereinigung angeboten – was die Band ablehnte. „Vier 70-jährige Typen auf der Bühne, die etwas abzuliefern versuchen, was sie besser nicht täten – nein danke“, scherzte etwa Benny Andersson anlässlich seiner Solo-CD „Piano“ über die Anfrage.
Zwei neue Lieder
Jetzt wartet die Welt auf die zwei neuen Lieder, deren Veröffentlichungstermin noch geheim gehalten wird. Von einem kennen wir ja schon den Titel: „Ich habe noch immer Vertrauen in dich“. Das gilt auch von meiner Seite!