Der anhaltende Hype rund um die vor bald 45 Jahren uraufgeführte "Rocky Horror Show" ist ein Phänomen. In Scharen strömen Fans in schlüpfrigen Kostümen in die Shows, werfen Konfetti und springen von ihren Stühlen. Am 4. Oktober startet in Köln die aktuelle Europatournee, die das "Enfant terrible des Musicals" von 29. November bis zum 16. Dezember auch ins Wiener Museumsquartier (Halle E) bringt.
In den vergangenen Monaten hat der britische Regisseur Sam Buntrock, der im Jahr 2008 für die Neuinszenierung von Richard O'Briens Klassiker verantwortlich zeichnete, in London einen neuen Cast rund um das junge, biedere Paar Brad Majors und Janet Weiss und den diabolischen Außerirdischen Dr. Frank N. Furter zusammengestellt. Als Erzähler steht im deutschsprachigen Raum wie bei früheren Tourneen der Schauspieler Sky du Mont auf der Bühne, in Österreich ist er in dieser Rolle nach Chris Lohner und Herbert Steinböck jedoch zum allerersten Mal zu sehen. Letzterer ist auch wieder mit an Bord und übernimmt die Erzählerrolle von 12. bis 16. Dezember.
Über 600 Bewerber wollten Teil des Teams sein
"Es ist immer wieder aufregend, die richtigen Leute zu finden", erzählte Buntrock im Zuge der Auditions im Frühjahr in den Londoner Pineapple Studios, in denen sich die Aura des Besonderen unter den leichten Schweißgeruch der Bewerber mischte. Laut Martin Flohr, dem Produzenten der "Rocky Horror Show", hatten sich für die neue Tournee 600 Leute beworben, 200 lud man zum Vorsprechen ein - am Ende machten 15 das Rennen. Für Produzentin Meryl Faires ist es schließlich "die Rock'n'Roll-Energie, die wir bei den Leuten spüren müssen. Es ist eine sehr schräge Show, da müssen die Besetzungen passen." Dass die "Rocky Horror Show" sich nach wie vor ungebrochener Beliebtheit erfreut, liegt für sie an der besonderen Mischung des Plots: "Es geht um Naivität im besten Sinn, um den Verlust von Unschuld und das Ausleben der persönlichen Wahrheiten und Sehnsüchte."
"Die 'Rocky Horror Show' verliert ihren Geist, wenn sie mehr Musical als Rockshow ist", weiß Buntrock. Daher sei auch der Casting-Prozess besonders wichtig: "Jeder der Darsteller hat eine eigene Beziehung zu dem Stück, verbindet eine besondere Erinnerung an seinen ersten Kontakt mit der Show, für keinen von ihnen ist die Mitwirkung bloße 'Arbeit'." Produzentin Faires fügte hinzu: "Die Darsteller stülpen ihre Seele nach außen, man kann ihre Fragilität und Menschlichkeit in jeder Minute spüren." Das Rennen um die Rolle des subversiven Geists Dr. Frank N. Furter machte schließlich der Londoner Gary Tushaw, als Janet steht Sophie Iscaacs auf der Bühne, Felix Mosse gibt ihren Freund Brad. In die legendäre Rolle des Riff Raff kehrt Stuart Matthew Price zurück.
Konzept mit sanfter Erneuerung
Neu an der aktuellen Inszenierung sind jedoch lediglich "kosmetische Änderungen" im Vergleich zu seiner Show von 2008, wie Buntrock einräumte. "Bei jeder Tour habe ich ein bisschen etwas geändert. Für mich ist das rückblickend wie eine Landkarte, wo ich zur jeweiligen Zeit als Regisseur stand." Diesmal sei es vor allem die Lichttechnologie, die sich in den vergangenen zehn Jahren massiv verändert habe, wodurch ein neues Konzept nötig wurde. Buntrocks Strategie der sanften Erneuerung lautet: "Gib den Fans, wofür sie kommen, aber überrasche sie auch mit etwas Neuem."
Für Choreograf Matthew Mohr hat sich im Lauf der Jahrzehnte mehr geändert. In den frühen Zeiten hätten die Darsteller nicht gerade gut getanzt, "das wird immer professioneller". In seiner nunmehrigen Choreografie nehme er auch Anleihen an der erfolgreichen Verfilmung, der "Rocky Horror Picture Show". "Ich will den Film honorieren, aber nicht replizieren", so Mohr. Immer noch etwas ungläubig über den Erfolg äußert sich Richard Hartley, der als musikalischer Leiter bei der Uraufführung im Jahr 1973 dabei war. Im Royal Court Theatre, wo die "Rocky Horror Show" damals vor rund 70 Zuschauern das Leben erblickte, warf er einen Blick in die Vergangenheit. "Wir hofften damals, die Show würde drei Wochen lang gut laufen", erinnerte er sich. Doch dann überschlugen sich die Kritiken in der Presse und der Publikumsandrang riss nicht ab, sodass man nach Ende der Aufführungsserie in ein Kino in der Nähe umzog und weiterspielte. Der Rest ist Geschichte.