Eine Eins für das Bühnenbild (eine dreistöckige Torte, aus und mit der vieles an diesem Abend entsteht), eine Eins für die Besetzung der Hauptrollen, eine Eins für Regie und Choreografie, eine Zwei plus für die Liedauswahl und eine Drei minus für die Chorgesänge (oft viel zu schrill und geschrien) und den Sound, eine Fünf für das Plakat, das eine cremige Schmalz-Operette befürchten ließ. So lässt sich die Welturaufführung von "I am from Austria" zusammenfassen.
Das fiktive Wiener Traditionshotel "Edler" mit seiner Edler-Torte wird auf der Bühne des Wiener Raimund-Theaters zur Drehscheibe für Küsse, Katastrophen und andere Überraschungen. Und über allem schwebt die inoffizielle Nationalhymne Österreichs: "I Am from Austria", umrahmt von knapp 20 anderen Liedern und Hits aus der Feder Rainhard Fendrichs, der 1981 mit dem Sommerhit "Strada del Sole" den Durchbruch schaffte . . . u. a. „Macho Macho“, „Haben Sie Wien schon bei Nacht geseh‘n“, „Es lebe der Sport“, „Blond“, das erwähnte „Strada del Sole“, "Schickeria", "Zweierbeziehung", "Midlife Crisis", „Tango Korrupti“, "Razzia", "Kein schöner Land", „Nix is fix“ und „Weus‘d a Herz hast wie a Bergwerk”.
Eine "fröhlich-freche Story rund um Liebe, Freundschaft und Familie voller Romantik und amüsanter Situationskomik" versprachen die Vereinigten Bühnen Wien (VBW) vor der Welturaufführung des Musicals, das an den Erfolg von "Ich war noch niemals in New York" mit den Ohrwürmern von Udo Jürgens anschließen soll - wurde doch auch ein ähnliches Team zusammen getrommelt, angefangen bei Co-Autor Christian Struppeck über Broadway-Arrangeur Michael Reed und Sounddesigner Thomas Strebel bis zu Choreografin Kim Duddy.
Eine heimische Aktrice hat international Karriere gemacht, es bis nach Hollywood geschafft hat und kehrt nun anlässlich des Opernballs nach Wien zurück. "Wir lassen unsere Geschichte in einem Mikrokosmos spielen, nämlich in einem Hotel, dem Hotel Edler. Ähnlichkeiten zu lebenden Personen und ähnlichen Instituten sind rein zufällig – aber durchaus beabsichtigt", erläutert Regisseur Andreas Gergen im Programmheft. "Wir waren uns einig, dass das Musical mit ,Schickeria' beginnen soll. Es ist ein toller Eröffnungssong, der uns mit Elan und Schmäh die Wiener Adabei-Gesellschaft präsentiert und einen wunderbaren Ausgangspunkt für unsere Geschichte schafft", erklärt Struppecks Autorenpartner Titus Hoffmann.
Nun denn: Die Geschichte ist keinesfalls hanebüchener als die Handlungen anderer Jukebox-Musicals wie "Mamma Mia!" oder eben "New York", bei weitem lustiger, lässiger und augenzwinkernder als von "We Will Rock You". Es gilt: mehr Spaß als Kitsch! Mit der Frage: Wer erkennt sich denn womöglich in den Publikumsreihen wieder?
Zum Erfolg des Abends trägt auch bei, dass eben nicht glatt gebügelte, austauschbare und typische Musical-Typen als Protagonisten verpflichtet wurden, sondern Charaktere, bei denen man nicht auf jedes richtige Tönchen achtet. Sie haben viele andere Qualitäten.
Wunderbar: Dolores Schmidinger. Ihre "Es lebe der Sport"-Szene ist eine echte Fitnessnummer für die Lachmuskeln. Die auch bei "Macho Macho" und "Razzia" zum Einsatz kamen. Elisabeth Engstler verkörpert glaubwürdig die Hotelchefin und kann ihr Image als stets smilende, bestens gelaunte ORF-Moderatorin ablegen. Andreas Steppan überrascht mit warmer, tiefer Stimme und ist ebenfalls ein Gewinn für die VBW. Zum Publikumsliebling dürfte Matthias Trattner als Hotelgehilfe Felix werden. Ein Naturtalent. Nicht bloß wegen seiner Ode an den Autofriedhof.
Offen bleibt: Warum zieren eigentlich nicht Iréna Flury und Lukas Perman das Plakat? Sie ist gesanglich perfekt, beim Titellied wartet am jedoch vergeblich auf ein "Gänsehautgefühl", er ist als VBW-Starglanz dieser Produktion perfekt, darf aber gerne noch mehr stimmlich ausbrechen, was ihm die Technik derzeit verwehrt.
Termine: Dienstag & Mittwoch: 18.30 Uhr, Donnerstag bis Samstag: 19.30 Uhr, Sonntag: 16.30 Uhr. Der Montag ist spielfrei.
Raimund-Theater, Wallgasse 18-20, 1060 Wien.
Karten: Tel. (01) 588 85.
www.musicalvienna.at