Auf den ersten Blick scheinen televisionäre „Sommergespräche“ anachronistisch. Einstündige Fernsehinterviews mit einem einzigen Politiker wirken weder modern noch sonderlich aufregend. Und es stimmt schon, das 1981 unter dem Titel „Politik am Freitag“ gestartete Format hatte auf aufgrund seiner Verstaubtheit seine Schwächephasen: 2011 etwa sahen die fünf Gespräche im Schnitt nur 349.000 Österreicher. Aber der ORF passte sich dem Zeitenwandel an und wechselte seine Moderatoren ebenso oft wie den Look der Sendung. Nicht aus Verzweiflung, sondern um Jahr für Jahr Neues zu bieten, ohne das Herzstück anzutasten: das Gespräch.

Steigende Quoten


Die Rechnung ging auf, denn seit 2011 liegen die Durchschnittsquoten der „Sommergespräche“ zwischen 663.000 (mit Susanne Schnabl 2016) und 752.000 (mit Hans Bürger 2015) Zusehern. Aufgewertet mit pfiffigen Politikerporträts, Fragen des Publikums oder interessanten Locations schätzen die Seher ausführliche und kritische Gespräche mit Parteichefs über die Maßen. Denn solche Interviews sind, außer in der „Pressestunde“, Mangelware.

Leitete von 2009 bis 2011 die Sommergespräche: Ingrid Thurnher
Leitete von 2009 bis 2011 die Sommergespräche: Ingrid Thurnher © APA/HERBERT NEUBAUER

Ab Montag um 21.05 Uhr in ORF 2 leitet Tarek Leitner erstmals die Sendung. Gast zum Auftakt: Matthias Strolz (Neos).
Selbst der junge Privatsender Puls 4 sprang heuer auf den über 35 Jahre alten Zug auf und produzierte zum ersten Mal seine eigenen „Sommergespräche“. Im Schnitt sahen 128.000 zu, was für Puls 4 ein zufriedenstellender Wert ist. Die beste Quote bei Moderatorin Corinna Milborn holte am 10. Juli Sebastian Kurz (186.000 Seher).
Für die Spitzenkandidaten sind die „Sommergespräche“ das Trampolin, von dem sie zum Sprung in den Wahlkampf abheben.

Holte 2015 im Schnitt 752.000 Zuschauer zum ORF-Polit-Talk: Innenpolitik-Chef Hans Bürger
Holte 2015 im Schnitt 752.000 Zuschauer zum ORF-Polit-Talk: Innenpolitik-Chef Hans Bürger © ORF

Politikberater Thomas Hofer sagt: „Die ,Sommergespräche‘ sind noch nicht wahlentscheidend, aber sie können von allen dazu genützt werden, um das eigene Image aufzubauen und die eine oder andere Schwäche in der Außenwirkung noch wegzubringen.“
Die Wirkung geht jedoch weit über das Format hinaus: Wie bei den TV-Duellen kriegen die Parteien durch die Berichterstattung in anderen Medien Fläche: „Die Kommentierung und die Sekundärbewertung in den sozialen Medien potenzieren den Effekt“, sagt Hofer.

Nach der Absage von Frank Stronach befragte Tarek Leitner am vergangenen Montag Bürger, was Sie über die österreichische Politik denken.


Am 11. September starten die TV-Konfrontationen bei Puls 4, am 17. September die direkten Duelle im ORF.