Die renommierte Wanderausstellung "Erfasst, verfolgt, vernichtet", die sich mit der systematischen Ermordung kranker und behinderter Menschen im Nationalsozialismus beschäftigt, ist seit Freitag erstmals in Salzburg zu sehen. Bis zu 400.000 Personen wurden zwischen 1933 und 1945 in Deutschland und Österreich zwangssterilisiert, mehr als 200.000 Menschen in Heil- und Pflegeeinrichtungen umgebracht.

"Gerade österreichische Nervenärzte waren in Relation zu Deutschland Rassenfanatiker", sagte Moritz Mühlbacher vom Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (ÖGPP) anlässlich der Ausstellungseröffnung am Freitag. "Sie haben mit Begeisterung bei dem mitgemacht, was später einmal als Probelauf für den Holocaust bezeichnet wurde." Der Widerstand sei äußerst gering gewesen. "Wenn, dann ist er von kirchlicher Seite oder von den Angehörigen gekommen. Das Fachgebiet hat mitgemacht oder geschwiegen. Erst 40 Jahre nach Kriegsende wurde in Österreich langsam mit der Aufarbeitung begonnen", so Mühlbacher.

Die 2014 von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) konzipierte Ausstellung widmet sich Opfern, Tätern und Tatbeteiligten und den wenigen Kritikern zugleich. Fallgeschichten illustrieren das Leiden und die Schicksale hinter den Zahlen. Die Schau weist zugleich auf die gedanklichen und institutionellen Voraussetzungen für das systematische Morden hin und fragt, wie nach 1945 eine Auseinandersetzung mit den Ereignissen stattgefunden hat.

In Deutschland bildete 1933 etwa das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" die Basis für eine Welle von Zwangssterilisierungen, in der Regel aufgrund der damals üblichen Diagnosen Schwachsinn, Epilepsie oder Schizophrenie, gelegentlich aber auch von Alkoholismus. Im Herbst 1939 unterzeichnete Adolf Hitler eine auf den Kriegsbeginn zurückdatierte Ermächtigung, wonach "nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranken bei kritischster Beurteilung ihres Krankheitszustandes der Gnadentod gewährt werden kann."

Sensibilisieren für Gegenwart und Zukunft

Das Schreiben gilt als Startschuss für die Aktion T4, bei der alleine in den Jahren 1940 und 1941 rund 70.000 Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen ermordet wurden. "Ab 1941 wurde dann versteckter und dezentraler weitergemacht, aber mit noch viel höherer Intensität", berichtete ÖGPP-Vorstand Mühlbacher.

"Viele der T4-Gutachter, die oft anhand eines einseitigen Fragebogens darüber entschieden, wer leben durfte oder sterben musste, sind nach dem Krieg als namhafte Experten im Fach in Erscheinung getreten", sagte der Mitinitiator der Ausstellung, der Aachener Klinikdirektor und frühere DGPPN-Präsident Frank Schneider am Freitag. Aber die Täter seien auch Pfleger, Juristen, Verwaltungspersonal und letztlich die Gesellschaft gewesen. "Die Ausstellung soll aber nicht nur aufzeigen was passiert ist, sondern auch für das eigene Handeln in Gegenwart und Zukunft sensibilisieren", so Schneider. Denn die Frage nach dem Wert eines Menschen sei bei Themen wie Sterbehilfe, pränataler Diagnostik aber auch in der Flüchtlingsdebatte aktueller den je.