Mit Internet, Blogs und Co hatte Major Adolf Kottan zwar noch nie etwas am Hut, in seiner neuesten Inkarnation als einziger rein menschlicher Akteur in "Kottan ermittelt - Das Puppen-Musical" bleibt der Kult-Kieberer sich selbst jedoch treu und schafft es trotzdem irgendwie ins Jetzt. Zu verdanken war das bei der Premiere Donnerstagabend im Wiener Rabenhof auch Multitalent Nikolaus Habjan.
Als "Grantler" mit fragwürdiger Dienstauffassung, der im skurril überzeichneten und doch immer allzu gut erkennbaren Wien der 1970er und frühen 1980er Jahre mit großem Ego, viel Wurschtigkeit und Schneid durch diverse Kriminalfälle stolpert, wurde Helmut Zenkers (Buch) und Peter Patzaks (Regie) "Kottan" zum Fernseh-Hit. Dem Kino-Revival aus dem Jahr 2010 - immerhin bereits 26 Jahre nach der Erstausstrahlung der letzten TV-Folge - war zwar weniger Erfolg beschert, die Kottan-Fangemeinde schwört aber so oder so auf die insgesamt 19 TV-Folgen. Und genau auf diese Gruppe zielt auch die nunmehrige Koproduktion des Rabenhofs mit den Vereinigten Bühnen Bozen und der Bühne im Hof St. Pölten vermutlich mit Erfolg ab.
Das liegt einerseits daran, dass sich mit Christian Dolezal als Kottan, den Puppenspielern Habjan und Manuela Linshalm sowie Kyrre Kvam als Ein-Mann-Ausführung von "Kottans Kappelle" eine kompakte Bühnentruppe dem Kult auf neuem Weg annähert. Andererseits bringen die Autoren Jan und Tibor Zenker den Schmäh ihres 2003 verstorbenen Vaters Helmut im Zusammenspiel mit der Regie von Rabenhof-Chef Thomas Gratzer quasi nahtlos in die Gegenwart.
So ist Kottan auch 2016 gewohnt arbeitsscheu und vernimmt die Dienstanweisungen des durch den 2008 verstorbenen Kurt Weinzierl legendär verkörperten Polizeipräsidenten Heribert Pilch nur, wenn sie ihm dieser ins Ohr schreit. Wie das Habjan die von ihm gebaute Präsidenten-Puppe mit fast gespenstisch weinzierlscher Stimme vortragen lässt, ist einer der ersten Höhepunkte des Abends. Widerwillig nimmt der Major die Ermittlungen zu einer vermeintlichen Entführungsserie auf. Unter den Abgängigen ist auch die Tochter eines eindeutig dem rechten Lager zuzuordnenden Wiener Vizebürgermeisters. Das, sowie die Tatsache, dass ein ungewöhnlich gut informierter Internet-Blogger die gewohnt schleißige "Polizeiarbeit 1.0" anprangert, lassen Kottan schließlich die Beine vom Tisch nehmen.
Schnell entwickelt sich die "Bar jeder Hoffnung" zum Zentrum der Handlung. Dort geht es nicht nur in jeder erdenklichen Weise ausschweifend zu, auch der Entführer und Frauenmörder mit kannibalistischen Absichten sucht dort hinter einer Fassade als weltgewandter Schöngeist nach Opfern. Neben quasi zeitgeistigeren Figuren, wie einem zum Islam konvertierten deutschen Studenten mit Hang zum Drogenkonsum, bekommen im Puppen-Musical auch Fixgrößen aus dem Kult-Kieberer-Umfeld viel Raum.
Da lässt etwa Linshalm die Puppenversion von Kottan-Mitarbeiter Schrammel im LSD-Rausch tanzen, Kottans technologieaffine Mutter wiederum ist die eigentliche treibende Kraft hinter den Ermittlungen und mit seiner Frau Ilse befindet sich der Major in der Dauerehekrise. Dass diese Charaktere auch als Puppen in Stimme und Habitus unverkennbar sind, zeigt das Können Linshalms und Habjans als Puppen- und Schauspieler.
Als einzige Vertreterin der originalen TV-Besetzung wird Chris Lohner in ihrer Rolle als TV-Sprecherin auf einem Videoschirm eingeblendet. Den überaus gelungenen Singspiel-Abend rundet die Musik ab: Die wird von Kvam stilecht im Rüschenhemd und mit viel Körpereinsatz hinter einer anachronistischen Keyboardburg live gekonnt trashig eingespielt. Die musikalischen Zitate reichen von Drahdiwaberl über Hans Krankl bis Madonna.