Der letzte Ort, an dem Klaus Kinski lebte - und vor 25 Jahren starb -, ist abgeschieden. Ein Idyll am Ende einer holprigen Landstraße, die in einen steilen Waldweg mündet. Die kleine Hütte aus Holz und Stein ist von hohen Mammutbäumen umgeben. "Ein Himmel auf Erden, ruhig und friedlich", so beschreiben die Besitzer Liz und Chuck Ford das Blockhaus, eine gute Autostunde von San Francisco entfernt.

Das Ende eines lauten, exzentrischen Lebens war überraschend einsam. Nach Angaben der Behörden erlitt Kinski am 23. November 1991 einen Herzinfarkt. Der 65-Jährige starb allein in seinem Haus, vermutlich im Schlaf. "Die Nachricht von seinem Tod war eine große Story", erinnert sich der 70 Jahre alte Chuck Ford. "Hubschrauber flogen über das Gebiet, aber sie fanden nichts, denn sie suchten ein riesige Villa, wie sie einem Star gebührt", erzählt der pensionierte Lehrer.

"Mitten im Nichts"

Vor zwölf Jahren kaufte er das einfache Blockhaus - ein gemütlicher Wohnraum mit einem Holzkamin. Von dort führt eine Wendeltreppe zu einem offenen Loft, wo Kinski schlief. Kein Fernsehen, kein Internet, dafür ein weiter Blick über bewaldete Hügel, kein anderes Haus weit und breit. "Mitten im Nichts, der perfekte Zufluchtsort", sagt Ford. Gerade das schätzten die Besucher, die das private Feriendomizil im Internet buchen.

Ford folgt einem kleinen Pfad zu einer Gruppe riesiger Mammutbäume und zeigt auf ein Baumhaus. Das habe Kinski für seinen Sohn Nikolai gebaut. Auch die Hundehütte für seinen Schäferhund Apollo steht unverändert da. "Nur jetzt braucht man keine Angst mehr zu haben, dass jemand völlig verrückt auf Besucher losgeht", meint Ford. Kinski sei für seine Wutausbrüche berüchtigt gewesen. "Wir wussten nie, ob er spielt oder ob das echt ist."

Er zeigt auf die vielen "Betreten Verboten"-Schilder, die Kinski auf dem Gelände anbringen ließ. Jahrzehntelang hätten Reiter und Wanderer diesen Weg benutzt, bis der Schauspieler sich dort verschanzte.

Wollte seinem Sohn nahe sein

Doch was trieb Kinski Anfang der 1980er-Jahre in diese ländliche Abgeschiedenheit? "Er wollte nicht in Deutschland, in Paris oder in Los Angeles leben. Er zog hierher, um seinem Sohn nahe zu sein", erzählt der US-Filmproduzent Tom Luddy (87), Mitbegründer des Filmfestivals von Telluride und einstiges Jurymitglied bei der Berlinale.

Sohn Nikolai, 1976 in Paris geboren, wuchs nach der Scheidung seiner Eltern nahe Lagunitas bei seiner Mutter auf. Kinski hinterließ drei Kinder, die dem Vater beruflich folgten. Pola (64) stammt aus der ersten Ehe mit Gislint Kühlbeck, Nastassja (55) aus der zweiten Ehe des Schauspielers mit Ruth Brigitte Tocki, Nikolai aus der dritten Ehe mit der Vietnamesin Minhoi Genevieve Loanic.

Er habe Kinski und den jungen Nikolai in Lagunitas zu Kinderpartys bei Francis Ford Coppola und zu Filmvorführungen auf die Ranch von George Lucas mitgenommen, erinnert sich der 87-jährige Luddy. Kinski arbeitete damals an seinem letzten Werk "Kinski Paganini" (1988), der einzige Film unter der Regie des Schauspielers, auch Nikolai hatte darin eine Rolle.

"Er war ein Mann mit vielen Widersprüchen, starken Gefühlen und großen Problemen", sagt Luddy über Kinski. "Er war ein fürchterlicher Vater für seine Töchter, aber später wollte er für seinen Sohn ein besserer Vater sein."

Star der Extreme

Tochter Pola hatte ihren Vater, der heute 90 Jahre alt wäre, 2013 des schweren sexuellen Missbrauchs bezichtigt. Die Übergriffe begannen demnach, als sie fünf Jahre alt war, und endeten erst mit 19. Auch Nastassja Kinski erklärte, er habe sie als Kind mit Annäherungsversuchen belästigt. Er sei unberechenbar gewesen und habe die Familie terrorisiert.

Kinski war ein Star der Extreme. Von den einen als Genie verehrt, während andere einen Wahnsinnigen und rücksichtlosen Egomanen sahen. Mal randalierte er auf der Bühne, mal ging der Bürgerschreck auf Talkshowmoderatoren los. Beim Dreh war er als Wüterich gefürchtet.

Regisseur Werner Herzog, der seine Kinski-Erlebnisse 1999 in dem Film "Mein liebster Feind" dokumentierte, erinnerte sich neben "monströsen Kämpfen" auch an eine "tiefe, tiefe Freundschaft". Fünf Filme drehten sie zusammen, darunter "Aguirre - der Zorn Gottes" (1972), "Nosferatu - Phantom der Nacht" (1978) und "Fitzcarraldo" (1981). Immer ging es um Außenseiter und Einzelgänger - Rollen, die ein besessen arbeitender Kinski mit höchster Intensität spielte.

Kein Grab

Ein Grab erinnert nicht an Kinski. Wenige Monate nach seinem Tod wurde seine Asche im Pazifik vor der Golden Gate Bridge verstreut. Eine kleine Trauergemeinde, darunter Sohn Nikolai, erwies ihm die letzte Ehre.

Chuck Ford nimmt auf einer Holzbank in einer Lichtung auf dem Weg zu der alten Kinski-Hütte Platz. Über den grünen Hügeln strahlt die kalifornische Sonne. Das soll einer von Kinskis Lieblingsplätzen gewesen sein. "Klaus wäre ausgerastet, hätte er mich damals hier gesehen", glaubt der jetzige Besitzer. "Aber ich komme gerne an diesen Ort, hier ist man von allem sehr weit weg."

Barbara Munker/dpa