Eines muss man Dan Brown lassen: Es ist immer das drin, was draußen draufsteht. Und dieses Mal also „Inferno“. Darin will ein Biochemiker der Überbevölkerung mit einem neuartigen Virus zu Leibe rücken.

Wenn kommenden Freitag die gleichnamige nächste Bestsellerverfilmung in die Kinos kommt, macht sich schon jetzt Müdigkeit breit. Sie sind ja auch lähmend, diese vorhersehbaren Rekorde. Ob Verfilmung oder Buchvorlage, bei Dan Brown geht es immer um Millionen, bisweilen sogar Milliarden. Allein „Sakrileg - The Da Vinci Code“, Dan Browns zweiter Roman mit dem Symbolforscher Robert Langdon als Hauptfigur, gilt mit weit über 80 Millionen verkauften Exemplaren zu den meistgelesenen Büchern neben „Harry Potter“, „Vom Winde verweht“ und der Bibel. Die Gesamtauflage seiner Bücher liegt mittlerweile bei 200 Millionen Exemplaren. Die Verfilmungen der ersten beiden Romane „Illuminati“ und „Sakrileg“ spielten gemeinsam fast eine Milliarde Euro ein.

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Brown ist also eine ziemlich heiße Entertainment-Aktie. Warum ihre Kurve steigt, hat mehrere Gründe: „Wir lieben es, begabten Zeichenlesern und Zeichenleserinnen beim Lösen von Rätseln zuzuschauen. Denken wir an Sherlock Holmes, Miss Marple oder auch Dr. House. Browns Robert Langdon gehört in diese Reihe. Brown ist rein sprachlich kein besonders guter Autor, aber man wird in seine Geschichten hineingezogen, seine Bücher sind Pageturner. Ein Grund dafür ist, dass Brown mit einem ,filmischen' Tempo schreibt, er hetzt seine HeldInnen und damit die LeserInnen von einem Schauplatz zum anderen“, so Rainer M. Köppl, Professor am Institut für Theater-, Film und Medienwissenschaft der Uni Wien.

Puzzle aus Verschwörungen

Ganz grundsätzlich spinnt Brown eine Art Mindmap des Mythischen. Rund um ein zentrales Thema, meist die große, die alles bedrohende Weltverschwörung, verteilt er Puzzleteile, verstrickt darin Vertreter aus der Hitliste der Verschwörungstheorien - von den Freimauern über die Kreuzritter, von der Kirche und bis hin zu allmachtsfantasierenden Alleingängern - und webt in das ganze Konstrukt noch einen roten Faden. Der nimmt seinen Anfang gern in historischen und kunsthistorischen Theorien, setzt da und dort gekonnt ein paar Irrlichter in jene Schatten, die historische Theorien bis zum endgültigen Beweis gern noch umgeben.

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Dieser typische Brown-Kunstgriff lässt die Tür gerade so weit offen, dass zumindest einer ganz sicher immer durchkommt: der Zweifel. Könnte es vielleicht nicht doch sein . . .? Hier ist naturgemäß Skepsis angebracht, so Köppl: „Browns Bücher regen zum Nachdenken an, man darf ihm nur nicht alles glauben.“

Genau das kritisieren seine Gegner, die nicht zuletzt aus den eigenen Reihen kommen. Manch einer, wie der im Februar verstorbene Bestsellerautor Umberto Eco, kannte bei Brown keine Gnade: Er sei ein „Intrigant, der falsche Nachrichten verbreitet und sich mit Abfallmaterial bereichert“. Und das aus dem Mund eines Schriftstellers, der mit dem „Foucaultschen Pendel“ selbst einen Parforceritt der Verschwörungstheorien hingelegt hat.

Auch um das Verhältnis zwischen Brown und der Kirche steht es nicht zum Besten, vielleicht auch, weil eines seiner Bücher auf der Idee basiert, dass Jesus Christus ein Kind mit Maria Magdalena hatte, dessen Nachfahren heute noch leben. Und dann wären da noch die bösen Gegenspieler aus der erzkonservativen katholischen Organisation Opus Dei. Daraus knüpft man wohl so schnell kein Freundschaftsband. Dabei kann man Brown einfach auch als das sehen, was es ist: reine Unterhaltung. Oder wie ein britischer Priester Brown gegenüber die ganze Aufregung als Sturm im Wasserglas klassifiziert: „Das Christentum hat Galilei und Darwin überlebt, es wird ganz bestimmt auch Dan Brown überleben.“

Der Dan-Brown-Effekt

Wie groß der Einfluss seiner Bücher ist, lässt sich auch am Tourismussektor ablesen: Bereits nach dem Erscheinen von „Sakrileg“ sprach der Louvre, der prominent im Buch vorkommt, vom „Da-Vinci-Code“-Effekt und deutlich gestiegenen Besucherzahlen. Das muss kein Nachteil sein, wie auch Köppl meint: „Mehr Touristen und Einheimische in Museen ist doch nicht schlecht. Ich finde es auch wunderbar, dass Touristen und Einheimische seit ,Sakrileg' in Wien in die Minoritenkirche strömen, um dort die Nachbildung von da Vincis ,Letztem Abendmahl' bestaunen. Brown ist damit ein Volksbildner im besten Sinn - wie es Marcel Prawy für die Opernfreunde war.“ In „Inferno“ kommt Florenz und einer seiner größten Söhne zu Mainstream-Ehren: der Dichter Dante Alighieri. Dessen zentrales Werk, die „Göttliche Komödie“, ist in der Abbildung von Sandro Botticelli der zentrale Schlüssel zum Geheimnis, dem Langdon auf der Spur ist. Dantes Meisterwerk aus dem 13. Jahrhundert, die Schilderung seiner siebentägigen Reise durch das Jenseits, ist für Brown, der mittlerweile als Dante-Spezialist gilt, eine aufgelegte Spielwiese: Zähnefletschende Teufel, ein Blutsee, Folter und ein Höllenkönig im Eis - was will Hollywood noch mehr?

Dante Alighieri
Dante Alighieri © arteniecatalin/Fotolia

Dan Brown hingegen hat das alles längst hinter sich gelassen, ist schon wieder der nächsten Verschwörung auf der Spur. Sein neues Buch „Origin“, wieder ein Roman rund um den Symbolforscher Langdon, erscheint im September 2017. Und wie unschwer zu erraten ist, soll es im neuen Band wieder einmal um geheime Codes, Wissenschaft, Religion, Geschichte und Kunst gehen. Ein echter Brown also: irgendetwas zwischen Himmel und Hölle.