Der Choreograf und Tänzer Simon Mayer kann das vorweisen, was nur wenige Kunstschaffende österreichischer Provenienz in seinem Alter haben: einen Ruf. Und dem wird er auch in seiner neuesten Produktion gerecht, die sich wie das gefeierte Vorgänger-Stück „SunBengSitting“ als kritische Auseinandersetzung mit dem österreichischen Volkstanz erweist.
Die im Rahmen des Tanzfestivals „Pelzverkehr“ in Klagenfurt aufgeführten „Sons of Sissy“ entpuppten sich als ebenso differenzierte wie ironische Stellungnahme zum Volkskulturgut „Tanz“.
In einem humorvoll inszenierten Spiel nahmen vier Tänzer die traditionellen Reigen- und Brauchtumstänze - und deren Hang zu geometrischen Figuren - buchstäblich auseinander. Die Choreografie sezierte Bewegungsmuster, löste sie in ihre Einzelbestandteile auf und steigerte sie anschließend ins Absurde. Das legte nicht nur jene Bruchlinien offen, an denen der Volkstanz in modernere Formen des Tanzes erodiert, sondern zeigte auch besonders drastisch auf, welche Gefahren und Abgründe in der Fixierung auf einen übersteigerten Heimatbegriff lauern: Zeitweise wurde weniger getanzt, denn rhythmisch in Reih und Glied marschiert. Dass sich die Szenerie zuweilen ins Groteske, Animalische oder Brutale verkehrte, ist damit nur folgerichtig.
Diese Auslotung von Grenzbereichen umfasste aber ebenso Klischee-Vorstellungen stereotyper Weiblichkeit und Männlichkeit. Mit den Mitteln des Tanzes wurde die Zurschaustellung eines durchaus heidnischen Körperkultes hinterfragt - und der zugehörige Voyeurismus thematisiert, indem sich die Tänzer allmählich entkleideten.
Vom gemeinhin zelebrierten Brauchtums-Kitsch blieben da selbstredend nur Trümmer übrig. Wie sagte schon Brecht? Das Volk ist nicht tümlich. Gut so!
Andreas Peterjan