Aus Österreich kommt das Grauen - spätestens seit dem Erfolg von "Ich seh Ich seh" gilt dies auch für das Kino, das mit dem Psychothriller ein neues Feld für sich entdeckt. "Mein Fleisch und Blut" ist zwar nicht so ästhetisch versiert und ausgefeilt wie das Werk von Veronika Franz und Severin Fiala. Das Langfilmdebüt von Michael Ramsauer, das am Freitag im Kino anläuft, ist aber solide Genrekost.
Für Kathi und Martin Trummer (Ursula Strauss und Andreas Kiendl) läuft es derzeit nicht gerade rosig, ist das Leben mit dem sechsjährigen Adoptivsohn Tobias (Nikolai Klinkosch), der deutliche autistische Züge zeigt, doch ohnedies anstrengend. Und nun ist Pressefotograf Martin nach einem Zusammenbruch auch noch krankgeschrieben. Dass ins lange leer stehende Nachbarhaus ein junges, offenes Paar einzieht, stellt da die glückliche Abwechslung im grauen Alltagsstress dar.
Die Eltern sind übermüdet und gestresst, während die Nachbarn vermeintlich entspannt eine Bindung zu Tobias aufbauen. Der Bube beginnt, langsam aufzutauen. Allerdings fällt das Kontrastprogramm zum langweiligen Einerlei bald radikaler auf als erhofft. Spätestens als die neue Nachbarin Nicole (Lili Epply) Martin verführt und ihr Freund Christian (Wolfgang Rauh) sich als erpresserischer Choleriker erweist, beginnt die Situation schrittweise zu eskalieren. Und schnell wird klar: Das vermeintlich harmlose Paar von nebenan verbirgt ein schreckliches Geheimnis.
Bei der Besetzung kann der gebürtige deutsche Nachwuchsfilmer Michael Ramsauer, der seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, auf die Creme de la Creme der heimischen Darsteller zurückgreifen, spielen doch mit Ursula Strauss und Andreas Kiendl zwei der cineastischen Allzweckwaffen gewohnt souverän ihren Part des Mittelstandsehepaares am Rande des Nervenzusammenbruchs. Mit Wolfgang Rauh und Lili Epply gesellen sich überdies zwei Nachwuchshoffnungen hinzu, die den etablierten Kollegen ordentlich einheizen.
Der Plot selbst, für den Ramsauer als Drehbuchautor ebenfalls verantwortlich zeichnet, entwickelt seine Geschichte zunächst gemächlich, vollzieht seine Wendungen dann aber alsbald etwas rabiat und unvermittelt. Ganz den Klischeeversatzstücken und genretypischen Allgemeinplätzen aus Krähenschreien, schummrigen Kellern und moderaten Schockeffekten entkommt "Mein Fleisch und Blut" dabei nicht. Unter dem Strich stellt der Psychothriller aber die solide Variation eines altbekannten Themas mit rot-weiß-rotem Lokalkolorit dar.