Harry Potters magische Kräfte hätten sich die Muggel beim Hamburger Carlsen Verlag in den vergangenen Monaten gewünscht. Die deutsche Übersetzung des Theaterskripts "Harry Potter and the Cursed Child" knapp acht Wochen nach dem englischen Original auf den Markt zu bringen, sei doch recht sportlich gewesen, sagt Verlagschefin Renate Herre.
Am 30. Juli hatte die Fortsetzung der Abenteuer rund um Joanne K. Rowlings berühmten Zauberschüler in London Bühnenpremiere, am Tag darauf erschien das englischsprachige Buch zum Stück und stürmte auch in Deutschland die Bestsellerlisten. Mit einer Startauflage von 800.000 Exemplaren kommt nun am Samstag (24. September) die deutsche Übersetzung "Harry Potter und das verwunschene Kind" in den Handel.
Große Herausforderung
"Das war schon eine extreme Herausforderung", berichtet die Carlsen-Chefin, "vor allem für die beiden Übersetzer". Klaus Fritz, der schon alle sieben Harry-Potter-Romane ins Deutsche übertragen hat und dem Fans Wortschöpfungen wie den "Schnatz" zu verdanken haben, und seine Kollegin hätten genau drei Wochen Zeit gehabt, um die 336 Seiten zu übersetzen. "Da es ja das Buch zu einem Bühnenstück ist, mussten wir auch bis zum Schluss warten", erzählt Herre. "Natürlich wären wir am liebsten mit der deutschsprachigen Ausgabe zeitgleich zur englischen erschienen, aber das hätte bedeutet, dass wir eine vorläufige Probenfassung des Skripts bekommen - und es wurde tatsächlich bis kurz vor der Premiere an den Texten gearbeitet."
Dass viele Potter-Fans nicht bis zum Erscheinen des langersehnten Nachschubs auf Deutsch warten wollten und sich lieber schon mit der Originalversion aufs berühmte Gleis 9 3/4 begaben, helfe letztlich auch der deutschen Ausgabe, sagt die Carlsen-Chefin. "Das große Interesse am englischen Buch macht noch stärker auf das deutsche aufmerksam." Bestes Beispiel für sie sei der siebente und letzte Harry-Potter-Roman, der 2007 erschienen war: "Von 'Harry Potter und die Heiligtümer des Todes' sind fast eine Million englischsprachige Exemplare im deutschsprachigen Raum verkauft worden und noch einmal dreieinhalb Millionen von der deutschen Ausgabe, die einige Monate später erschien."
Butterbier
Angesichts der Rückmeldungen aus dem Buchhandel dürften die Hamburger schon mal das in Hogwarts so beliebte Butterbier bereitstellen: "Wir verzeichnen schon jetzt eine große Nachfrage nach dem Titel, sodass das Buch schon über die Vorbestellungen auf Platz 1 der Thalia-Bestsellerlisten steht", berichtet Julia Hattrup, Sprecherin der Buchhandelskette Thalia. Mit verschiedenen Aktionen feiern rund 60 der deutschen Thalia-Buchhandlungen am Samstag den Verkaufsstart - manche öffnen rechtzeitig zum Mitternachtsverkauf ab 0.01 Uhr, andere frühmorgens ab 7 Uhr.
Das Theaterstück, das unter dem Titel "Harry Potter and the Cursed Child" seit 30. Juli dieses Jahres in London läuft, ist eine aus zwei Teilen bestehende Inszenierung und basiert auf einer neuen Geschichte von J.K. Rowling, John Tiffany und Jack Thorne. Die Handlung setzt dort ein, wo der siebente und letzte Teil der Harry-Potter-Romane endet. Harry Potters beste Freunde, Hermine und Ron, sind inzwischen miteinander verheiratet. Die strebsame Hermine hat es bis zur Magie-Ministerin geschafft. Harry ist ein überarbeiteter Beamter im Ministerium für Zauberei, verheiratet mit Rons Schwester Ginny.
Schwierige Beziehung
Zum gemeinsamen Sohn Albus Severus hat Harry eine schwierige Beziehung. Albus leidet unter dem hohen Erwartungsdruck, den der Ruhm seines Vaters mit sich bringt. Sehr zum Missfallen seines Vaters freundet er sich mit Scorpius Malfoy an, dem Sohn von Harrys früherem Widersacher Draco. Um sich zu beweisen, will Albus mithilfe einer Zeitreise einen Fehler seines Vaters korrigieren. Dabei richten er und Scorpius aber mehr Schaden an als sie gutmachen. So fängt Harrys geheimnisvolle Narbe nach 19 Jahren wieder an zu schmerzen, es plagen ihn Albträume, in denen es um den Erzbösewicht Lord Voldemort geht.
Nie wieder hatte Rowling eine Fortsetzung schreiben wollen - "und ich glaube, noch nie hat jemand so viele Menschen glücklich gemacht, indem er sich nicht an sein Wort gehalten hat", sagt Verlagschefin Herre. Auch wenn das Projekt bei ihr selbst zunächst viele Fragen aufgeworfen habe. "Ein Theaterstück - das fand ich schon mutig. Aber wie gut lässt sich das als Buch lesen, wenn die Beschreibung der Atmosphäre - eine von Rowlings Stärken - fehlt?" Ihr Urteil fällt nach der Lektüre so positiv aus wie das der Theaterkritiker nach der Premiere. "Es steht den Romanen in nichts nach", sagt die Verlägerin.
Harry Potters Kosmos ist inzwischen um drei neue E-Books, die nicht in gedruckter Form erscheinen sollen, gewachsen. Und wird schon in zwei Monaten noch größer, wenn mit "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" die Verfilmung eines Lehrbuchs aus den Potter-Romanen ins Kino kommt.
Dorit Koch/dpa