Der Wahlkampf um den Posten des ORF-Generaldirektors geht ins Finale: Heute Dienstag ab 10.00 Uhr wählt der ORF-Stiftungsrat, das oberste Aufsichtsgremium des Senders, einen neuen ORF-Chef. Zur Auswahl stehen der von der SPÖ unterstützte amtierende ORF-General Alexander Wrabetz sowie der von der ÖVP favorisierte Finanzdirektor Richard Grasl. Bis zuletzt warben beide Bewerber um Unterstützung für ihr Konzept, das beide gestern Abend öffentlich auf ORF III vorgestellt haben.

Dienstag ab zehn Uhr wird es spannend

Die 35 Mitglieder des ORF-Stiftungsrats wählen den Generaldirektor in offener, nicht geheimer Abstimmung, sie treten am Dienstag ab 10.00 Uhr zu ihrer Sitzung zusammen. Danach folgen in alphabetischer Reihenfolge die Hearings mit Grasl und Wrabetz. Je nach Dauer - in der Vergangenheit wurden aussichtsreiche Bewerber oft ein- bis eineinhalb Stunden "gegrillt" - startet dann am Nachmittag das Abstimmungsprozedere. Jeder Stiftungsrat erhält einen Stimmzettel, der einzeln in einer Wahlzelle ausgefüllt und in eine Wahlurne eingeworfen wird. Danach wird das Ergebnis ausgezählt, protokolliert und das Gremium wird über das Wahlverhalten der einzelnen Stiftungsräte informiert. Diese Form der offenen Auszählung gibt es seit dem Jahr 2001. Schwarz-Blau schaffte damals die geheime Wahl ab.

18 Stimmen für Mehrheit nötig

18 Stimmen sind für eine Mehrheit notwendig. Die Mitglieder des Stiftungsrats werden von Regierung, Parteien, Bundesländern, ORF-Publikumsrat und Betriebsrat beschickt und sind - abgesehen von wenigen Ausnahmen - in parteipolitischen "Freundeskreisen" organisiert. SPÖ und ÖVP können derzeit auf je 13 Vertreter zählen. FPÖ, Grüne, NEOS und Team Stronach haben je einen Stiftungsrat. Der von BZÖ/FPK bestellte und von der SPÖ-geführten Landesregierung verlängerte Kärntner Stiftungsrat sowie vier Unabhängige komplettieren das Gremium. Wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse dürften bei der Wahl am Dienstag die Vertreter der Opposition sowie die Unabhängigen den Ausschlag geben.

Wrabetz und Grasl - sowie im Hintergrund ihre politischen Unterstützer - warben unterdessen bis zuletzt bei Stiftungsräten für ihre Konzepte, und beide Bewerber rechneten mit einer Mehrheit. So könnte der amtierende ORF-General mit Unterstützung der 13 SPÖ-nahen Stiftungsräte, der zwei unabhängigen Betriebsräte sowie der Vertreter des Landes Kärnten, der NEOS und der Grünen die Basis für eine Wiederbestellung legen. Grasl bräuchte neben den 13 Stimmen des ÖVP-"Freundeskreises" noch das Backing der Stiftungsräte von FPÖ und Team Stronach, zwei weitere Unabhängige und eine jener Stimmen, die auch von Wrabetz umworben werden.

Mögliche Teams beider Kandidaten

Nachdem Konzepte und Strategien der Kandidaten bereits seit längerem am Tisch liegen und Montagabend noch einmal - eingedampft auf 15 Minuten - öffentlich via ORF III präsentiert werden, dürfte es bei den Hearings am Dienstag auch noch um die Personalpakete der beiden Bewerber gehen.

Bei Wrabetz gelten Kathrin Zechner als Programmdirektorin sowie Michael Götzhaber als Technischer Direktor als Fixstarter. Die Kaufmännische Direktion soll mit einer weiblichen Finanzexpertin von außerhalb des Hauses besetzt werden. Als Radiodirektor bzw. als Head of Radio gelten bei Wrabetz der burgenländische Landesdirektor Karlheinz Papst und der frühere Radiochefredakteur und nunmehrige Projektleiter des neuen multimedialen Newsrooms, Stefan Ströbitzer, als mögliche Kandidaten.