Die gebürtige Engländerin Sharon Dodua Otoo hat am gestrigen letzten Lesetag mit dem herrlich-skurrilen Text "Herr Gröttrup setzt sich hin" über ein Ehepaar am Frühstückstisch begeistert, dessen Scheinidylle durch ein Ei gestört wird, das sich schlicht weigert, hart zu werden. Nun wurde sie für diesen Text mit dem mit 25.000 Euro dotierten Bachmann-Preis ausgezeichnet, der heuer zum 40. Mal vergeben wurde. Den Text kann man hier nachlesen.

Die Autorin wurde 1972 in London geboren. Sie "lebt, lacht und arbeitet" in Berlin (so eine Selbstdefinition). Ihre jüngste Novelle "Synchronicity" erschien 2014 auf Deutsch und 2015 auf Englisch.

Sandra Kegel, die Otoo nominiert hatte, gratulierte ihr in ihrer Laudatio zu einem Text, der zeige, dass "die Welt jederzeit zu erschüttern ist, nicht nur durch das Fremde, sondern auch durch das Vertraute am Frühstückstisch." Der Text sei eine "charmante Satire" ebenso wie "Wissenschaftsgeschichte". Und es sei schön, dass der Bachmannpreis nach wie vor eine Bühne für jene Autoren biete, die noch nicht so im Literaturbetrieb verankert seien. Das hat sich für Sharon Dodua Otoo nun wohl schlagartig verändert.

Otoo sagte in einer ersten Reaktion, sie "habe sich gar nicht erlaubt, im Vorfeld an einen Preis zu denken". Sie würde jetzt wohl Wochen brauchen, um das zu realisieren. Sie hätte den Bachmann-Bewerb vorher gar nicht gekannt, sonst "wäre der Text vielleicht anders ausgefallen". Jetzt habe sie durch das Preisgeld die Möglichkeit, die Geschichte zu einem Roman auszubauen.

Kelag-Preis

Kelag-Preis für Dieter Zwicky
Kelag-Preis für Dieter Zwicky © ORF

Der mit 10.000 Euro dotierte Kelag-Preis geht an den Schweizer Autor Dieter Zwicky (Jahrgang 1957), der bereits 2007 erstmals beim Bachmann-Preis gelesen hat. Zum Text geht es hier.

Laudator Juri Steiner möchte gerne mit Zwicky auf eine einsame Insel, denn der Autor würde überall eine Welt hervorzaubern, die eine neue Form der Wahrnehmung erlaube. Ein Zauberer, ein Magier, der die Illusionen und die Schwerkraft miteinander verbinden kann, so Steiner. "Wir sind verdutzt, nein, wir sind nicht verdutzt, wir sind verzwickt."

3sat-Preis

3sat-Preis für Julia Wolf
3sat-Preis für Julia Wolf © ORF

Der mit 7.500 Euro dotierte 3sat-Preis geht an Julia Wolf, die am Freitag einen Text über einen älteren Mann vorgelegt hat, der im Badezimmer auf dem Fliesenboden liegt. Er hat sich den Kopf gestoßen und denkt nun darüber nach, wie er das seiner Frau erklären könnte (zum Text geht es hier). Vorgeschlagen wurde sie vom Juryvorsitzenden Hubert Winkels und dieser lobte einen Text, der durch mehrfaches Lesen immer "tiefer, komplexer" geworden sei. Er fand in der Figur des Walters die männliche Gegenfigur zu Ingeborg Bachmanns "Undine geht".

Publikumspreis

Publikumspreis für Stefanie Sargnagel
Publikumspreis für Stefanie Sargnagel © APA/GERT EGGENBERGER

Der Publikumspreis ging erwartungsgemäß an die Österreicherin Stefanie Sargnagel, die sich auch selbst vorweg gute Chancen ausgerechnet hatte, weil sie in den Sozialen Medien gut vernetzt ist. Dass sie es nicht auf die Shortliste der Jury schaffte, darf als eine der Überraschungen des Bewerbs gewertet werden (zu ihrem Text geht es hier). Sie bedankte sich bei der Burschenschaft "Hysteria", die für sie im Internet Stimmung gemacht hatte.

Auf die Shortlist schafften es neben Otoo, Zwicky und Wolf auch Marko Dinic, Jan Snela, Isabelle Lehn und Selim Özdogan. Außerdem gab es einen neuen Modus: Die Juroren dürfen in der ersten Runde nicht für jene Autorin/jenen Autor voten, den sie eingeladen haben.

Abschlussrede

Den Abschluss machte der Juryvorsitzende Hubert Winkels, der betonte, welch unglaubliche Vielfalt heuer beim Bachmann-Bewerb zu hören gewesen sei. Und zwar auch in Sachen allgemeine Weltverhältnisse. Das Fremde, das Andere sei auch Inhalt vieler Texte gewesen, es ging auch um den Krieg und die Wunden, die Krieg schlägt. Diese Elemente würden den Schluss zulassen, dass es ein "direktes Hineinregnen" der Welt in den Klagenfurter Raum gäbe.

Und wenn es von außen gemault werden würde, das sei eine Art von Literaturbetrachtung wie vor 100 Jahren, dann könne man auch sagen: Ja, das ist vielleicht gut so. Aber in Zeiten von Twitter, Amazon  und sonstigen Medien, wo jeder Kritiker ist, dürfe es auch diese Form der Kritik noch geben. "Ich habe das jedenfalls gerne getan. Ich bin von der Preisverleihung total überrascht, aber das ist ja das Schöne daran, dass es noch überraschen kann."