Im schönen ägäischen Frühling des Jahres 1976, der sich – dem Frühjahr 2016 nicht unähnlich – auf hartnäckige Stürme und verrückte Temperatursprünge verlegte, hatte der Wiener Verleger Fritz Molden eine illustre Runde zu einer Kreuzfahrt eingeladen. Mit an Bord der Jacht: der Schriftsteller Humbert Fink, dessen Buch „Am Anfang war die Ägäis“ den mitreisenden Buchhändlern und Journalisten vorgestellt werden sollte, und der damalige Landesintendant des Kärntner ORF-Studios, Ernst Willner. Die beiden teilten sich eine Kabine. „In diesem beengten Nebeneinander überlegten wir in langen Gesprächen, was eigentlich zu tun wäre, damit eine literarische Veranstaltung im Stil der legendären Gruppe 47 in Österreich entstehen könnte“, notierte Humbert Fink (1933–1992) später.

Der Grundstein für den Ingeborg-Bachmann-Bewerb, der heuer im 90. Jahr der Namenspatronin vom 29. Juni bis 3. Juli in Klagenfurt stattfindet, wurde quasi in der Ägäis gelegt. Entsprechend schwankend bewegte sich der Literaturdampfer zunächst.

Im Spätherbst 1976 war Willner und Fink klar, dass die Mitarbeit wichtiger Kritiker und Autoren notwendig sein würde, damit der neue Preis in diesem nicht gerade als Literaturhotspot bekannten Winkel Österreichs nicht gleich an der Bedeutungslosigkeit der Beteiligten scheiterte. Als Marcel Reich-Ranicki die Bühne betrat, war diese Gefahr gebannt, allerdings warf der fanatische Literaturfreund und -kritiker die Vorstellungen, wie das Wettlesen ablaufen sollte, über den Haufen. Reich-Ranicki setzte durch, dass die eingeladenen Autoren nicht mitzudiskutieren hatten. Das war dann ab 1977 als „Preisgericht“ lange Zeit Praxis und somit völlig anders als bei den Schriftstellertreffen der Gruppe 47, wo die gegenseitige Kritik der vorgelesenen Texte gepflegt wurde.

Die Klagenfurter Jury tage „geheimbündlerisch“, hieß es. Die Grazer Autorenversammlung rief zum Boykott auf. In Zeitungsberichten über das erste Jahr, in dem der 31-jährige Gert Jonke als überaus präsentabler Bachmann-Preisträger gefeiert wurde, wird kritisiert, dass die Jury bei schwierigen Texten in der Spontankritik oft nicht über pure Geschmacksurteile hinauskam. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ bezeichnete die Jurymitglieder Hans Weigel und Friedrich Torberg gar als inkompetent. Letztlich überwog aber das Lob für den Lese-Marathon, dessen Ziel Marcel Reich-Ranicki formuliert hat: „Er will der Literatur eine Öffentlichkeit verschaffen. Und er will der Öffentlichkeit zur Literatur verhelfen.“

Seit 1989 werden die Lesungen um den Bachmann-Preis live von 3sat übertragen. Die Sitten sind längst nicht mehr so streng wie in den Anfangsjahren: Die Juroren kennen die Texte der Autoren bereits, müssen also keine Spontanurteile abgeben. Und die Autoren dürfen auch mitreden.