Mit eXtracello im Alten Rathaus sowie einem Auftritt von Scott Hamilton und Dan Barrett im Jazzland beginnt am 28. Juni das diesjährige Jazz Fest Wien. Die 26. Festivalausgabe versammelt bis 11. Juli mehr als 40 Künstler, die sich zwischen Staatsoper und Porgy & Bess die Klinke in die Hand geben. Die Massen werden dabei von großen alten Herren gelockt, während Geheimtipps Feingliedriges servieren.

Viele Augen werden wie üblich auf die Bühne in der Staatsoper gerichtet sein: Dort beginnt der Konzertreigen am 1. Juli im Burt Bacharach, seines Zeichens sechsfacher Grammy- und zweifacher Oscar-Gewinner, aus dessen Feder zahlreiche Evergreens wie "I Say A Little Prayer For You" oder "The Look of Love" stammen. Der 88-jährige US-Amerikaner hat sich durch Zusammenarbeiten mit Dionne Warwick oder Marlene Dietrich längst ins allgemeine Musikgedächtnis geschrieben, scheint aber immer noch nicht genug zu haben. "Wenn ich die Leute berühren und erreichen kann, warum sollte ich jemals aufhören?", sagte er kürzlich im "Telegraph"-Interview.

Nahegegangen ist vielen auch der französische Erfolgsfilm "Ziemlich beste Freunde". Die Musik dazu hat der Italiener Ludovico Einaudi geschrieben, der am 7. Juli die Staatsopern-Konzerte beschließen wird. Der 60-jährige Pianist, dessen Großvater Luigi Einaudi von 1948 bis 1955 italienischer Staatspräsident war, besticht durch einen behutsamen Umgang mit Melancholie und Melodie. Das scheint anzukommen, ist der Auftritt doch bereits seit Wochen restlos ausverkauft. Was auch für den Gig von Jamie Cullum gilt: Der englische Pop- und Jazzsänger, am 6. Juli in der Staatsoper zu Gast, gehört seit Jahren zum Fixbestandteil der europäischen Musikszene und versteht es bestens, Anspruch und Unterhaltung zu verbinden.

Abgerundet werden die Konzerte im ehrwürdigen Haus am Ring durch die Sängerinnen Cyndi Lauper (3.7.) und Beth Hart (4.7.) oder das Trio John Scofield, Brad Mehldau und Mark Guiliana (5.7.). Letzteres bekommt bei seinem Auftritt Unterstützung, ist doch der heimische Gitarrist Wolfgang Muthspiel für das Vorprogramm zuständig, das er solo bestreiten wird. Für den ursprünglich am 2. Juli eingeplanten Bobby McFerrin, der seine komplette Europatour aufgrund einer Borreliose-Erkrankung absagen musste, springen Pink Martini sowie Marina & The Kats ein.

Ein weiteres Highlight wird am 9. Juli im Musikverein serviert: Dort greift niemand geringerer als Keith Jarrett in die Tasten. Der US-Amerikaner gibt sich bei seinen Soloperformances üblicherweise ganz dem freien Fluss hin, improvisiert den Abend hindurch in unnachahmlicher Weise, wobei der Musiker durchaus kritisch im Bezug auf sein Publikum reagiert. Ablenkendes oder gar Störendes sollte man da tunlichst unterlassen. Aber es gilt ohnehin, sich ganz auf den 71-Jährigen zu konzentrieren, der zuletzt vor vier Jahren mit Bassist Gary Peacock und Schlagzeuger Jack DeJohnette beim Jazz Fest zu Gast war.

Es sind aber nicht nur die großen Säle, die in den kommenden Wochen mit reichhaltiger Musik gefüllt werden: Allen voran das Porgy & Bess im Ersten Bezirk lädt zur Rundschau hochwertiger Geheimtipps. Sei es das Quartett Empirical (1.7.), das sich ganz klassisch gibt, oder die zwischen Jazz und Pop changierende Sängerin Kandace Springs (4.7.), die ihr von Larry Klein produziertes Blue-Note-Debüt "Soul Eyes" vorstellen wird. Auch Jacob Collier, mit vielen Vorschusslorbeeren bedachter Jungspund, der mit Anfang 20 nicht nur ein beachtliches Gespür für die Neudeutung von Fremdkompositionen mitbringt, gibt sich ein Stelldichein (5.7.). Wenige Tage zuvor erscheint sein Debüt "In My Room".

Wie er aus England stammt das Trio GoGo Penguin, wohl eine der spannendsten Formationen des diesjährigen Festivals: Chris Illingworth, Rob Turner und Nick Blacka begreifen ihre Zusammenarbeit dabei als komplett gleichberechtigt, eine Gruppe ohne dezidierten Bandleader, was sich in den teils elegischen, teils enorm energiegeladenen Stücken hörbar ausdrückt. Piano, Bass und Schlagzeug begegnen sich hier auf Augenhöhe, bedingen und fordern einander, wie das kürzlich veröffentlichte dritte Album "Man Made Object" auch vorführt. Live sind sie am 6. Juli zu erleben. Und tags darauf schaut ein waschechtes Wunderkind vorbei: Der zwölfjährige Joey Alexander war heuer für zwei Grammys nominiert. Er wird von Ulysses Owens Jr. (Drums) und Dan Chmielinski (Bass) begleitet.

Dass sich das Jazz Fest gerne über die namensgebende Genrebegrenzung hinwegsetzt, untermauern heuer beispielsweise Funkaltmeister George Clinton mit seinen Parliament Funkadelic (9.7.) oder die aus Brooklyn stammende Gruppe Snarky Puppy (11.7., jeweils im Arkadenhof des Rathauses). Auch das traditionelle Fernwärme Open Air zeigt sich breitgefächert, wenn mit Incognito, Naturally7 und Hot Pants Road Club am 2. Juli variantenreicher Soul auf vokalen Glanz und Big-Band-Feeling trifft. Und schließlich sollte man sich im Sommer nochmals Zeit nehmen, liefert das Jazz Fest Wien heuer doch einen späten Nachschlag: US-Saxofonist Kamasi Washington, der im Vorjahr sein passend betiteltes Dreifachalbum "The Epic" vorgelegt hat und damit für viele offene Münder sorgte, kommt am 23. August in die Ottakringer Brauerei.

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