Richard Grasl wird für die Position des ORF-Generaldirektors antreten. Das gab der derzeitige Kaufmännische Direktor am Donnerstag im ORF-Stiftungsrat bekannt. Er wünsche sich "einen positiven Wettbewerb der besten Ideen für den ORF", hieß es in einem ersten Statement von seiner Seite, übermittelt von seiner Büroleiterin.
Der amtierende ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hat die Kandidatur-Ankündigung von Grasl "zur Kenntnis genommen", wie er am Donnerstag im Gespräch mit Journalisten sagte. "Das war ja zu erwarten und sechs Monate intensiv vorbereitet." Er selbst ist für die Wahl im August "zuversichtlich".
"Fair und sachlich"
Zur weiteren Zusammenarbeit mit Grasl, der ja ab sofort offiziell Gegner ist, meinte Wrabetz nur: Man werde sich bemühen, "fair, sachlich, offen" zu agieren und die Arbeit weiter erledigen, "davon gehe ich aus". Auf atmosphärische Beschreibungen seines Verhältnisses zu Grasl wollte er sich nicht näher einlassen. Auf eine entsprechende Frage, wann ihm dieser mitgeteilt habe, dass er antritt, meinte er nur: "Ich habe die Frau Dr. Lindner (Monika, frühere ORF-Generaldirektorin, Anm.) früher informiert."
Der Stiftungsrat werde bei der Entscheidung seine Leistungen der vergangenen Jahre würdigen, glaubt Wrabetz. "Wir sind einer der best aufgestellen Öffentlich-Rechtlichen in Europa." Unter seiner Führung habe das Unternehmen "schwierige Klippen gut gemeistert. Ich nehme an, der Stiftungsrat wird das in seiner Bewertung berücksichtigen."
Wettbewerb eröffnet
Im Stiftungsrat selbst wurde Grasls Kandidatur pragmatisch bis erfreut kommentiert. Thomas Zach, Leiter des ÖVP-"Freundeskreises", sah jetzt "den Wettbewerb um die besten Konzepte und Ideen für den ORF" eröffnet. "Das ist der erste Schritt für eine gute Zukunft für den ORF." NEOS-Vertreter Hans-Peter Haselsteiner fand es "erfreulich, dass Herr Grasl sich der Wahl stellt". Und er wünschte sich viele weitere Bewerber, denn der ORF verdiene einen größeren Wettbewerb um seine Zukunft.
Der Unabhängige Franz Küberl wiederum hofft auf einen "Wahlkampf in vernünftigen Formen", sieht aber offensichtlich die Chance dafür, denn "das sind ja erwachsene Menschen", die bis auf Weiteres gemeinsam ein Unternehmen führen müssten. Siggi Neuschitzer, für Kärnten im Aufsichtsgremium, will sich "ganz genau anschauen, mit welchem Programm beide für die Zukunft des ORF antreten werden. Das bessere Konzept wird die Kärntner Stimme bekommen". Und auch der Grüne Stiftungsrat Wilfried Embacher will nun einmal die Inhalte abwarten. Grasls Kandidatur jedenfalls war für ihn keine Überraschung mehr.
Ausschreibung
Offiziell ausgeschrieben wird der Posten des GD am 30. Juni, die Bewerbungsfrist läuft dann bis 28. Juli. Termin für die Wahl ist der 9. August. Grasl gilt als ÖVP-nahe, im Stiftungsrat sitzen 13 ÖVP-Vertreter. Amtsinhaber Alexander Wrabetz, der bereits Ende des Vorjahres angekündigt hatte, wieder zu kandidieren, kann auf die Unterstützung der ebenfalls 13 SPÖ-Räte setzen. Eine Mehrheit im 35-köpfigen Gremium haben damit freilich beide nicht, es gilt, weitere Mitglieder zu überzeugen.
Ein öffentliches Hearing der Kandidaten scheint jedenfalls fix. Zwar hatte Medienminister Thomas Drozda (SPÖ) zuletzt festgehalten, dass dies aus aktienrechtlichen Gründen nicht im Rahmen einer Stiftungsratssitzung stattfinden dürfe. Es zeichne sich aber ab, dass man etwa eine gemeinsame Veranstaltung von Stiftungs- und Publikumsrat abhalten könnte.