Für Rapper B-Real scheint es ohnedies einerlei, wo man dieser Tage auftritt. "Am Anfang unserer Karriere war es schon schräg", meinte er vor dem Gig bezüglich genretechnischer Grenzgänge. "Und ein bisschen fühlt es sich immer noch so an. Im Kern sind wir natürlich Hip-Hop. Aber wir haben schon immer gerne Grenzen überwunden, haben Mischformen mit Metal oder Rock gemacht - oder wie man es auch nennen möchte. Da gab es von Anfang an eine besondere Verbindung. Aber natürlich ist es lustig, bei so einem Festival aufzutreten. In diesen Metalbands gibt es großartige Musiker und sie spielen verdammt laut! Damit müssen wir mithalten. Ich mag diese Herausforderung."
Überzeugen musste das Quartett - neben B-Real bestehend aus Sen Dog, DJ Muggs und Eric Bobo an den Percussions - ohnedies niemanden. Von der ersten Sekunde an waren sich Band und Publikum trotz immer stärker einsetzendem Regen einig, dass diese gemeinsame Nacht funktionieren sollte. Spielerisch wurden die Menschenmassen um den Finger gewickelt, gab es mit reichlich Funk und Latin-Einflüssen gesprenkelte Songs zu genießen und wurde gehüpft, was das Zeug hält. Der Anlass war auch ein schöner, steht doch heuer das 25-jährige Jubiläum der Gruppe an. Dazu soll im August auch das neue Album "Elephants On Acid" erscheinen. "Das wird düsterer, psychedelischer und filmisch", verriet B-Real.
Aber vorerst hieß es: Fokus auf den Blick zurück. Und der viel sehr gehaltvoll aus. Dass man mittlerweile Erfahrung hat mit derlei Tournee-Unternehmung, ist auch kein Wunder. "Aber das war nicht immer so", schmunzelte der MC. "Als wir anfangs nach Europa kamen, wussten wir nicht viel vom Touren. Mittlerweile gibt es hier viele Leute, die wir als Familie bezeichnen würden." Er selbst hat derzeit auch noch eine andere Beschäftigung: Mit Mitgliedern von Rage Against The Machine und Public Enemy bildet er die Supergroup Prophets Of Rage. "Wir würden es nicht so nennen, sondern Elite-Taskforce", meinte B-Real. "Wir wollen jenen eine Stimme geben, die keine haben." Steht bei Cypress Hill vorwiegend "Party, Marihuana und dann die Realität" im Fokus, gehe es hier deutlich politischer zu. "Das ist sicher ein Schritt weiter. Wir sind Brüder im Geiste."
Beinahe verwandtschaftlich war das Verhältnis auch zuvor auf der Red Stage, als die rhetorische Frage lautete: "Gemma mitanander o'?" Gestellt haben sie Seiler und Speer zum Sonnenuntergang. Die Fans des Duos hatten sich dicht gedrängt vor der zweiten Hauptbühne des Festivals versammelt und feierten ihre Helden. "Soits leben" (Tausende Trinkbecher in der Höhe) gefolgt von "Servas baba" eröffnete das Set, bei dem sich Christoph Seiler und Bernhard Speer von Band und Background-Sängerinnen begleiten ließen. Der Schmäh saß an diesem Ort richtig, "A Kaffee und a Tschick" konnten die langsam erschöpften, aber unermüdlichen Nova Rocker nachvollziehen. So richtig bebte es beim Finale mit "Ham kummst": "Und wir dachten, wir sind hier Outsider", meinten die beiden Bad Vöslauer noch am Anfang ihres Triumphzugs, um dann gleich selbst die Erklärung für ihren Erfolg zu liefern: "Wir sind halt ein ehrlicher Act."
Ähnliches lässt sich für einen Altmeister des Rock-Theaters sagen, der sich mit seinen 68 Jahren in Topform zeigte: Alice Cooper gab am Abend auf der Blue Stage als Co-Headliner eine perfekte Performance, gespickt mit Hits aus seiner langen Karriere und Showelementen. Das funktionierte auch deshalb, weil Cooper seit einiger Zeit von einer fantastischen Band begleitet wird, die Songs aus seiner Heavy-Metal-Phase ebenso zu spielen versteht, wie die etwas gefinkelteren Nummern aus den Siebzigern. Drei Gitarristen unterstützten den Sänger, darunter die fingerflinke und blondmähnige Nita Strauss. "Sie ist eine echte Schredderin", sagte Cooper in einem APA-Interview.
Im ersten Teil spielten der legendäre Frontman und sein Ensemble alte und auch neuere Stücke straight, laut, kraftvoll und ohne Gimmicks. "No More Mr. Nice Guy" lautete die Devise, immer wieder gab der Chef seiner Mannschaft Raum zum Solieren (und das mit Verve). "Poison" durfte mittendrin nicht fehlen. Dann wurde die Trickkiste geöffnet: Zu "Feed My Frankenstein" rannte ein Monster über die Bühne, es kam die kranke Krankenschwester und ließ Alice zu "Killer" und "I Love The Dead" köpfen. Keine Atempause: Mit "I'm Eighteen" und "School's Out" folgten die Hymnen. Davor wurde den toten Rockidolen gehuldigt - da durften Songs von David Bowie ("Suffragette City") und Lemmy ("Ace Of Spades") nicht fehlen.
Und Alice Cooper hat auch den Bezug zur politischen Gegenwart nicht verloren. Bei seinem Uralt-Hit "Elected" ließ er zwei Verkleidete als Donald Trump und Hillary Clinton aufeinander los. Nach einem kurzen Boxkampf begannen die beiden Rivalen sich heftig zu lieben. Coopers Zynismus ist immer noch erfrischend. Auf seinen Auftritt in Nickelsdorf bereitete sich der Rockstar übrigens tagsüber mit einer Runde Golf auf einer heimischen Anlage vor.
Und dann natürlich Volbeat: Es war die Band am richtigen Ort. Denn hymnischer Metal, deftig zubereitet mit einer Gewürzmischung aus Rock and Roll, Country und Pop-Melodien, passt perfekt zur Spätabendstimmung. Da wurde trotz immer strömenderem Regen geschunkelt (oder wahlweise über die Köpfe "gesurft"), während die Dänen sehr ziel- und stilsicher durch altes Material ("The Lonesome Rider" oder "Radio Girl") oder neues ("For Evigt") steuerten.
Bereits am Nachmittag waren die Dropkick Murphys eine Bank: Die Hardcore-Folk-Punker aus Boston wirbelten mit ihrer stets mitreißenden Kombination aus Härte und irischen Elementen gewaltig Staub auf. Vor der Blue Stage bildeten sich rasch Circle Pits, bis ganz nach hinten auf dem Areal wurde getanzt. Die Amerikaner lieferten den Soundtrack zum Ausgelassen sein. Das Finale des diesjährigen Nova Rock kann also kommen.