Vor drei Wochen feierte Anna Netrebko an der Dresdner Semperoper ihr umjubeltes Wagner-Debüt im "Lohengrin" mit Christian Thielemann am Pult der Sächsischen Staatskapelle. Am Donnerstagabend war das neue Traumpaar der Klassik wieder vereint - im Wiener Musikverein. Richard Strauss' legendäre "Vier letzte Lieder" führten die beiden diesesmal zusammen.

Bereits 2014 hatte Netrebko das musikalische Testament des Komponisten in Berlin gesungen (was bei der Deutschen Grammophon nachgehört werden kann). Für die zweite Annäherung der Austro-Russin an den spätromantisch-deutschen Schwanengesang wurde nun Wien auserkoren. Eines wurde dabei im Musikverein ungeachtet aller jüngsten Wagner-Erfahrungen deutlich: Die gerade beim Lied wichtige Textverständlichkeit ist bei Netrebko im Deutschen nach wie vor ein Problem. Da knallen die Konsonanten und jedes T schießt wie ein Geschoß durch den Goldenen Saal.

Sehr gut, aber nicht herausragend

Stimmlich besteht Netrebko mit ihrem zunehmend warm-goldenen Timbre mühelos gegen den gewaltigen Klangapparat der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Zugleich mangelt es der Russin im spätromantischen Fach noch etwas an der variantenreichen Interpretation. Die Stimmung aller vier Abschiedslieder ist bei ihr die gleiche. Dennoch ist Netrebko sehr gut - nur nicht herausragend, was man von ihr schlicht nicht gewöhnt ist. Der Applaus fiel dennoch am Ende beinahe so lange aus wie das kurze Werk zuvor.

Vor dem Duo Thielemann/Netrebko hatte Pianist Yefim Bronfman seinen Einsatz mit Beethovens Klavierkonzert Nr. 3. Der 58-Jährige ist derzeit "Capell-Virtuos" in Dresden und damit einer der Nachfolger von Rudolf Buchbinder als Solistenpartner für eine Saison. Gemeinsam mit der Staatskapelle bot der gebürtige Usbeke einen leichten, trillerreichen Beethoven, der verspielt-verschnörkelt und damit beinahe mozartesk daherkam. Die Dresdner lieferten dazu in frappanter Präzision eine transluzente, frische und klare Interpretation.

Lange muss der Musikverein nach dem gestrigen Abend nicht auf den nächsten vokalen Superstar als Liedinterpret warten, geben sich die Größen ihrer Zunft doch momentan die Klinke in die Hand. Auf Anna Netrebko folgt am 21. Juni Jonas Kaufmann mit Mahlers "Das Lied von der Erde" - an der Seite der Wiener Philharmoniker.