Für dieses Festival müsste man sich klonen können. Mindestens einmal. Denn zu dicht ist das Programm des internationalen Dramatik-Festivals "Grenzgänge/Interpretationssache" von Schauspielhaus Graz und Drama Forumvom 2. bis 5. Juni in ganz Graz. Dementsprechend herausfordernd ist es, den Überblick über Stücke, Lesungen, Performances, Installationen oder Diskussionen zu bewahren.

Das Interpretationszentrum - Textinstallation
Das Interpretationszentrum - Textinstallation © JS

Hinter Türen, in einer alten Hafnerei (siehe Faktbox) oder unter Bäumen begegnet das Publikum neuen Texten junger Dramatikerinnen und Dramatiker - in all ihrer Vielstimmigkeit. "Wir möchten die Tradition, die Graz hat, fortführen und junge Autoren fördern", sagt Schauspielhaus-Intendantin Iris Laufenberg. Eine Intention, die sie mit Edith Draxl und dem von ihr gegründeten Genie-Ausbildungsprogramm Drama Forum verbindet. Die beiden Institutionen haben sich zusammengeschlossen, eine Förderung des Deutschen Literaturfonds sichert das Projekt für drei Jahre ab.

Verhandelt werden brennende Fragen der Gegenwart, in vielfältigen Idiomen und Sprachen. Einer der Höhepunkte ist wohl das Stück "Todesurteil für den Zuschauer" des rumänischen Autors Matei Visniec, der es unter dem Regime Ceausescus schrieb. Darin konfrontiert er das Publikum (2. Juni, 19 Uhr, Haus Zwei) auf engstem Raum mit Willkür und stalinistischem Terror.

Im Gerichtssaal


Clemens Bechtels Rechercheprojekt "Jeder ... Niemand/Graz und die Menschenrechte" (ab 3. Juni, Haus Eins) hinterfragt den Titel, den sich die Stadt seit 15 Jahren umhängen darf. Am Gericht am Marburger Kai entern Zuschauer in einem Parcours drei Fallbeispiele.

Idyllischer Innenhof
Idyllischer Innenhof © UniT

Das Publikum trifft auf die Autoren - und umgekehrt. Auch das ist Ziel des Festivals. Autorengrößen wie Ferdinand Schmalz, Thomas Arzt oder Henriette Dushe begegnet man bei Diskussionen, in Arbeitsateliers - oder ganz ungezwungen bei der Nachtschiene mit Barbetrieb im Festivalzentrum (siehe rechts).

Am Sonntag geht das Mammutprojekt mit der Österreich-Premiere "Maidorf" nach einem Text des Grazers Christian Winkler zu Ende. Darin seziert er, mikroskopisch und chronisch, das Leben einer dörflichen Gemeinschaft. Die gute Nachricht: Wer das nach der viertägigen Zerreißprobe nicht mehr schafft, hat dazu noch vom 7. bis 9. Juni im Theater am Lend die Chance.