Am Sonntag kam ihm noch Komiker Dieter Hallervorden zu Hilfe. Und am Montag will die deutsche Bundesregierung den förmlichen Wunsch der Türkei nach Strafverfolgung von Jan Böhmermann wegen des umstrittenen Erdogan-Gedichts des Satirikers prüfen. Dies werde ein paar Tage, aber nicht Wochen dauern, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.

Erste Gespräche

Dazu sollte es noch am Montag erste Gespräche auf Ebene der fachlich Zuständigen im Auswärtigen Amt, Justizministerium und Kanzleramt geben. Seibert betonte, die Freiheit der Kunst und die Pressefreiheit seien für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) weder nach innen noch nach außen verhandelbar. Dies gelte unabhängig davon, ob sie etwas für geschmacklos halte und davon, dass die EU mit der Türkei in der Flüchtlingskrise zusammenarbeite.

Was bisher geschah

Böhmermann hatte das Gedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit dem Titel "Schmähkritik" am 31. März in seiner satirischen Fernsehshow "Neo Magazin Royale" präsentiert - und vorher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass so etwas in Deutschland nicht erlaubt sei. Die Staatsanwaltschaft Mainz, die schon wegen mehrerer Anzeigen gegen Böhmermann sowie gegen ZDF-Verantwortliche ermittelt, wurde nach eigenen Angaben bisher nicht über das Strafverlangen der Türkei informiert. "Hier liegt noch nichts vor, und ich bin auch von keiner amtlichen Seite diesbezüglich unterrichtet", teilte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller mit. Für eine Strafverfolgung in solchen Fällen brauche es neben dem Strafverlangen der Türkei auch eine entsprechende Ermächtigung vonseiten der Bundesregierung.

Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) Frank Überall findet ein Strafverfahren gegen den Satiriker Jan Böhmermann grundsätzlich in Ordnung. "Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist dabei aber immer, Be- und Entlastendes zusammenzutragen", sagte Überall am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Der starke Protest des türkischen Präsidenten Erdogan an der NDR-Satiresendung "extra 3" - was Auslöser für Böhmermanns Schmähgedicht war - sei zwar eine instinktlose Provokation gewesen, sagte Überall. "Böhmermann hat darauf aber mit einer nicht minder instinktlosen Provokation reagiert." Er habe damit rechnen müssen, dass die "Schmähkritik" an Erdogan juristisch auf den Prüfstand gestellt wird.

Was darf Satire?

"Ein Strafverfahren wäre völlig in Ordnung", so der DJV-Chef, der allerdings nicht damit rechnet, dass das Gericht Anklage erhebt. "Und ich kann und will mir nicht vorstellen, dass Böhmermann tatsächlich verurteilt wird", sagte Überall. Der ZDF-Satiriker habe mit seinem provokanten "Schmähkritik"-Gedicht außerdem eine Debatte darüber ausgelöst, was Satire darf. "Das muss man ihm zugutehalten. In der Türkei dürften wir diese Diskussion mit Sicherheit nicht führen. Und ich bin glücklich in einem Land zu leben, in dem das möglich ist."

Das ZDF will Böhmermann trotz des Ärgers die Treue halten. Dessen "Neo Magazin Royale" stehe nicht zur Disposition, teilte der Sender auf Anfrage mit. "Die Sendung wird wie bisher fortgeführt." Die Late-Night-Show werde am Donnerstagabend in der Mediathek und auf ZDFneo sowie am Freitag im ZDF zu sehen sein. Das strittige Schmähgedicht hatte das ZDF jedoch nach der Sendung vom 31. März aus seiner Online-Mediathek entfernt.

Böhmermann, der am Freitagabend für eine frühere Satire-Aktion ("Varoufake") in Abwesenheit den begehrten Grimme-Preis erhielt, hält sich seit Tagen aus der öffentlichen Diskussion heraus. Eine Einladung zur Talkshow von Anne Will schlug er aus - die Runde diskutierte am Sonntagabend das Thema "Streit um Erdogan-Kritik - Kuscht die Bundesregierung vor der Türkei?".