Herr Kaiser, Sie singen "Das Leben ist zu kurz, um nicht glücklich zu sein" oder "Nie wieder leb' ich an mir vorbei". Ein paar Lieder auf Ihrem aktuellen Album "Auf den Kopf gestellt" klingen abermals wie die Aufarbeitung eines Lebenseinschnitts. Stimmt der Eindruck?
ROLAND KAISER: Das mag ein Additiv sein, durch den Einschnitt, den man hatte im Leben. Andererseits, wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, beginnt man – wenn man positiv denkt – das Leben neu zu genießen. Mir geht es jedenfalls so. Irgendwann muss eben der Punkt kommen, an dem man in der Lage ist, zu Dingen, die einem nicht gefallen, Nein sagen zu können. Dann gewinnt ein Tag wirklich eine Stunde mehr.
Wozu sagen Sie heute leichter Nein als früher?
KAISER: Zu eingeschobenen Zwischenterminen, manchen Auftritten und einigen Sendungen. Beispiele nenne ich aber keine. Das würde Kollegen unnötig düpieren. Dinge, die mich stressen lasse ich inzwischen weg und somit ist der Stress aus meinem Beruf raus.
Sie litten ab dem Jahr 2000 an einer chronischen Lungenerkrankung und hatten 2010 eine Lungentransplantation. Wie geht es Ihnen heute?
KAISER: Brillant. Das Ziel der Ärzte ist es, dass man wieder vollwertig am Berufsleben teilnehmen kann. Das schaffen sie nicht immer, aber bei mir ist ein Glückszustand da, der das möglich macht.
Es ist auffallend, dass so viele Menschen einen Einschnitt benötigen, um endlich bewusster zu leben.
KAISER: Ja, der Mensch muss einmal eins auf die Nase kriegen, bevor er merkt, was wichtig ist. Erst wenn man krank ist, fällt einem auf wie wichtig die Gesundheit ist, und erst dann beginnt er nach Paracelsus zu leben: Die Dosis macht das Gift. Dank meiner Zurückhaltung, geht es mir heute qualitativ besser.
Bei einer Kundgebung im Jänner 2015 in Dresden bezogen Sie deutlich Stellung gegen Pegida. Sind Sie inzwischen noch besorgter um Deutschland?
KAISER: Ich habe damals zu Toleranz und zum Dialog aufgefordert und gesagt, dass ich stolz bin, in einem Land zu leben, in dem man Menschen helfen kann, die auf der Flucht sind. Wenn Leute das stört und sie meinen, dann müssen sie meine Platten kaputtmachen und Konzertkarten zerreißen, dann müssen sie das tun.
Ein Kaiser schweigt nicht?
KAISER: Ich kann aus merkantilen Interessen meine Meinung nicht für mich behalten. Ich bin besorgt, dass unsere Gesellschaft in zwei Teile zerteilt wird, und es ist die Aufgabe der Regierenden, das nicht zuzulassen. Die Regierung hat zudem auf dem Boden des Gesetzes befunden, denn wir haben in der Verfassung ein Asylrecht. Es ist kein deutsches, sondern ein europäisches Problem. Aber es gibt in der EU offensichtlich keine Solidarität mehr. Die Flüchtlinge müssten gerecht auf alle 28 Mitgliedsländer aufgeteilt werden, nicht nur auf Österreich, Schweden und Deutschland.
Mittlerweile gehen die Grenzen aber sogar zu.
KAISER: Da stellt sich die Sinnfrage nach einer Europäischen Union und ich glaube nicht, dass sich Europa das leisten kann. Ich habe Angst um die EU und um deren Existenz. Immerhin haben wir in Zentraleuropa viele Jahrzehnte Frieden gehabt. Wir waren einmal ein Verein von Übereinstimmungen und humanistisch geprägten Idealen. Davon sind wir weit entfernt.
Es deutet nichts darauf hin, dass sich die Situation in Europa entspannt. Werden Sie womöglich doch irgendwann einmal politisch auf ihren Konzerten und in Ihren Liedern?
KAISER: Nein, das trenne ich rigoros. Ich möchte die Menschen unterhalten und von ihren realen Problemen ablenken. Und in einem Lied von drei Minuten Lösungsangebote zu formulieren, halte ich für gewagt.
Bleibt Ihr Gastspiel im Münsteraner "Tatort: Summ, summ, summ" 2013 eine einmalige Geschichte?
KAISER: Ja. So etwas kann ich nicht und es ist nicht mein Beruf. Ich hab damals angefragt, ob ich einmal ein Fahrrad durchs Bild schieben dürfte, denn ich bin ja Münsteraner und guck Thiel und Boerne gerne. Ein Jahr später war ich die Episodenhauptrolle und das war dann doch cool. Denn ich durfte einen Sänger mimen, der ein Arschloch und fast ein Frauenverächter ist. Es hat Spaß gemacht, aber ich bin kein Schauspieler.
Sie waren zwar nur einmal zu Gast, aber schmerzt das Aus für den "Musikantenstadl" dennoch?
KAISER: Als medieninteressierter Mensch tut mir das leid, denn ich verstehe die Motivation der Sender nicht. Der Wunsch, den "Musikantenstadl" jünger zu machen, ist wie der Wunsch, einen Ball viereckig zu machen – es geht nicht. Kein Mensch der Welt wird es jemals schaffen, dass ein 20-Jähriger so etwas guckt. Aber meine alte Tante vielleicht, die ist 65. Warum machen sie ihr das Programm kaputt?
Stimmt es, dass Sie "Sieben Fässer Wein", einen ihrer größten Hits von 1977, der eigentlich für Rex Gildo gedacht war, nie auf Ihren Konzerten singen?
KAISER: Ich habe das Lied nie verdammt, aber ich kann es nicht in mein Programm einbauen. Es ist mein einziges Stimmungslied und es passt einfach nicht. Das wäre so, als würde ich eine Reihe aus schwarzen Steinen auflegen und ein weißer wäre dabei – es passt nicht.
Und die Fans wissen das?
KAISER: Das Lied wird nie verlangt.