Es war so, als würden wir ihn aus einer anderen Zeit holen", sagt Regisseur Hans Steinbichler an einem Wirtshaustisch im Jägerhäusl in Bad Gastein. Ihn, den König heimischer Schauspielkunst: Helmuth Lohner. Im ZDF-Drama "Das Dorf des Schweigens" über die bröckelnden Fassaden einer Familie mimt er zärtlich brutal einen herrischen Familienpatriarchen. Es sollte seine letzte Rolle sein. Im Juni 2015 starb Lohner.

Agentur hatte er zu dem Zeitpunkt keine mehr: "Wir haben ihm einen Brief geschrieben." Er reagierte überrascht, dass sich noch jemand für ihn interessiert, er fragte nach dem Kontext und sagte zu. Grimme-Preisträger Steinbichler ("Hierankl") benötigt nur ein Wort, um die Arbeit mit ihm zu beschreiben: "unglaublich". Er denkt nach und findet folgenden Vergleich mit der Figur der Uralten Morla aus Michael Endes "Unendliche Geschichte", die in den Sümpfen der Traurigkeit lebt. "Diese Uralte Morla hat schon alles gesehen, alles erfahren, Hass, Liebe - sie ließ alles an sich vorübergehen", sagt Steinbichler.

Bekenntnisse


Das Drama nach einem Buch von Martin Ambrosch ("Das finstere Tal") ist keine leichte TV-Abend-Kost und beruht auf einer wahren Begebenheit. Erzählt wird eine beklemmende Nachkriegsgeschichte, abgründige Geheimnisse kommen ans Licht. Eine verloren geglaubte Schwester (Ina Weisse) kehrt nach vielen Jahren zur Hochzeit ihrer Schwester (Petra Schmidt-Schaller) zurück ins salzburgerische Bad Gastein. Die Heimgekehrte belastet den Verlobten (Simon Schwarz), er habe sie als Jugendliche vergewaltigt. Zunächst glaubt ihr niemand, auch ihr Bruder (Hary Prinz) nicht. Deswegen sei sie damals geflohen. Nach und nach lüftet sich wie bei einer Schraube, die immer enger gedreht wird, die Wahrheit über das schweigende Dorf und die lügende Familie. Vor der archetypischen Landschaft und dem vergilbten Charme dieses Ortes sagt Lohner einmal den verschwörerischen Satz: "Manchen Menschen ist die Wahrheit nicht zumutbar." Dem widerspricht Steinbichler deutlich: "Ich denke, die Wahrheit ist am Ende des Tages zumutbar."

Die Topografie dieser gigantischen Landschaft, der reißende Wasserfall, der Nebel, vor dem dieses Drama spielt, wird beim Zuschauen körperlich spürbar. "Bad Gastein beeinflusst alles", sagt Steinbichler. Es sei keine Kulisse, sondern Zustand. "Wie eine Marille kurz vor der Gärung."