Was das Aufregendste am Dreh war? Die Umdekorierung einer ganzen Straße im 3. Wiener Gemeindebezirk im Stile der 50er-Jahre. „Mit den ganzen Komparsen hat sich das angefühlt wie vor 60 Jahren.“ Der 13-jährige Schüler Wainde Wane, Sohn eines Afrikaners und der aus Villach gebürtigen, in Wien lebenden Bühnenbildnerin Gudrun Lenk-Wane, denkt gerne an die Dreharbeiten für „Kleine große Stimme“ zurück.

Ein Lieblingslied

Er spielt darin den zehnjährigen Benedikt, der nach dem Tod seiner Mutter bei seinen Großeltern (Margarethe Tiesel, Branko Samarovski) auf dem Land aufwächst. Benedikt weiß von seinem Vater nur, dass er ein farbiger amerikanischer Besatzungssoldat war – und dass er ein Lieblingslied hatte, das ihm seine verstorbene Mutter zu Lebzeiten oft vorsang. Benedikts besondere Gabe: Er kann sich Melodien merken und verfügt über eine exzellente Gesangsstimme. Jungschauspieler Wainde relativiert: „Gut singen kann ich nicht“. Dafür ist er richtig gut auf dem Schlagzeug, das er sich von seiner ersten Filmgage gekauft hat. Und seine Gesangsstimme wurde im Film ohnehin von einem echten Sängerknaben gedoubelt.


Als Benedikt sich eines Tages in den örtlichen Kinosaal schleicht, sieht er einen Bericht über die Wiener Sängerknaben und deren geplante Amerika-Tournee. Sein Entschluss steht fest: Er will dorthin, um sich während der Tour auf die Suche nach seinem Vater zu machen. Benedikt packt sein Binkerl, inklusive einer Stange Wurst und Schnaps. Die liebevolle Großmutter nickt die Pläne ab, der Großvater grummelt ihm nach: „Ein Esser weniger.“
Ursprünglich war diese Geschichte ein Vorschlag der Wiener Autorin Michaela Ronzoni an die damalige Intendantin der Vereinigten Bühnen Wien Kathrin Zechner. Sie sollte daraus ein Musical entwickeln.

Film statt Musical

Zechner wurde dann aber als Programmdirektorin auf den Küniglberg geholt. Ihren Nachfolger am Theater interessierte die Causa nicht; Zechner aber gab dem Projekt neuen Auftrieb: Eva Spreitzhofer entwickelte einen Drehbuchentwurf, den Rupert Henning finalisierte. Wolfgang Murnberger führte Regie und setzte die wunderbare Story mit einer hochkarätigen Besetzung (Miriam Stein, Karl Merkatz, David Rott, Tyron Ricketts, Erwin Steinhauer, Philipp Hochmair) um. Die Mona-Film realisierte diese 3,2 Millionen teure Produktion, die vom Fernsehfonds Austria mit 853.000 Euro gefördert wurde. Mit diesem emotionalen Nachkriegsfilm, zu dem man sich durchaus Taschentücher bereit legen kann, eröffnet der ORF heute „inoffiziell sein Weihnachtsprogramm“, so ORF-Fernsehfilmchef Heinrich Mis.

"Nicht nach Herkunft zu beurteilen"

Wenn Regisseur Murnberger meint, dass es darum geht, „Menschen nicht nach ihrer Hautfarbe oder Herkunft zu beurteilen“, dann rennt er bei Tyron Ricketts offene Türen ein. Ricketts spielt den Besatzungssoldaten, der nichts von seiner Vaterschaft weiß. Der ehemalige VIVA-Moderator und Kommissar bei „SOKO Leipzig“ ist der Sohn einer Oststeirerin und eines Jamaikaners. Als er bei den Filmangeboten auf den „Klischee-Schwarzen“ reduziert wurde, wanderte er 2012 in die USA aus. Derzeit lebt er in New York, wo er auch in Kontakt mit dem Bürgerrechtlicher und Entertainerlegende Harry Belafonte steht: „Da wird man sehr bescheiden, wenn Belafonte über die Zusammenarbeit mit Martin Luther King erzählt.“