Keine Frage, für seine 62 Jahre ist James Bond verdammt gut in Schuss. Wenn der Geheimagent ab 6. November zum 24. Mal ausrückt, um vorrangig das Britische Empire - und meist so nebenbei auch zumindest die halbe Welt - vor Unbill aller Art zu retten, kommt er zumindest seiner physischen Beschreibung durch seinen Schöpfer, den Autor Ian Fleming, schon sehr nahe: "Ohne die Wärme in seinen Augen verwandelt sich sein Gesicht in eine unbewegte Maske eiskalter Brutalität."
Besser könnte man Daniel Craig als Bond wohl kaum beschreiben: keine Spur vom Charmebolzentum seiner fünf Vorgänger, von der geschmeidigen Leichtfüßigkeit eines Sean Connery, der Gewitztheit eines Roger Moore oder der Eleganz eines Pierce Brosnan. Ganz im Gegenteil: Wankelmütig, zaudernd, im Alleingang unterwegs, dem Empire nur mit halbem Herzen folgend - Bond ist im Moment ein echter Problemfall. Aber kein unsympathischer.
"Casino Royale" war nicht nur Craigs Einstieg in die "Bond"-Reihe, sondern gleichzeitig auch der erste "Bond"-Roman von Ian Fleming. Am Ende des Buches verliert der hartgesottene Agent seine Liebe, Vesper Lynd, es folgt: gebrochenes Herz, gebrochener Mann. Eine ideale Ausgangsbasis, um die berühmteste Doppelnull ordentlich auszuleuchten.
Und was da zum Vorschein kommt, entspricht längst nicht mehr jenem James Bond, der Fleming 1953 auf einer Reiseschreibmaschine auf Jamaika entsprungen ist. Einen Teil des Substrats der 14 erfolgreichen Bücher beschreibt Fleming 1963 in einem Interview relativ klar: "Die Menschen haben eine romantische Vorstellung von Spionen." Und Fleming - der während des Zweiten Weltkriegs als Assistent von Marine-Geheimdienstchef John H. Godfrey selbst Erfahrungen im Spionagegewerbe sammeln konnte - kreierte seinen Helden aus Versatzstücken von Wunsch und Wirklichkeit, zog eine genaue Linie zwischen Gut und Böse und begeisterte die vorwiegend männliche Leserschaft - darunter auch US-Präsident John F. Kennedy.
Abgeschlossene Fantasiewelt
Die "Bond"-Reihe war nie ein Fall für den Literaturnobelpreis, auch die Vorbildwirkung in gesellschaftlichen Fragen war nicht gerade ein Liebesgruß: "Frauen waren zur Erholung gedacht. Bei einem Auftrag kamen sie einem nur in die Quere und vernebelten alles mit Sex und gekränkten Gefühlen und all dem emotionalen Ballast, den sie mit sich herumschleppten. Man musste ständig auf sie aufpassen und sich um sie sorgen", skizziert Fleming in "Casino Royale" gleich im ersten Drittel des Buches. Die Welt der Geheimagenten als Schutzzone, als abgeschlossene Fantasiewelt, an der Realitäten spurlos vorbeizogen. Nicht zuletzt schuf Fleming diese Welt vielleicht auch für sich selbst - er, der zu dieser Zeit gerade geheiratet hatte und Vater geworden war.
Anders die "Bond"-Filme, die sich - zugegeben - sehr langsam, aber stetig an reale Verhältnisse anpassten. Die Regisseure und Drehbuchautoren als Innungsmeister des Klischeebildes vom Geheimagenten. Ein Bild, das 007 mittlerweile in einer Welt zeigt, die vielschichtiger und komplexer geworden ist. Das "Bond"-Universum hat seine Romantik verloren, ist mehr als ein Flanieren zwischen Mädchen, Martinis und Mittelstreckenraketen. Vielleicht müssen wir sogar zugeben, dass Spion ein Scheißjob ist.
Und dies ist keine so schlechte Leistung, wenn man sich die immer wiederkehrende Einfachheit des Plots in Erinnerung ruft: Mann rettet die Welt vor dem Bösen. Plus Frauen, plus Autos, plus Alkohol. Doch damit ist zumindest im Moment Schluss: Bond hat seine Leichtigkeit verloren, aber dafür an Gewichtigkeit gewonnen. Nicht zuletzt beim Publikum - der Doppelagent ist von der Sonntagnachmittag-Unterhaltung zum Blockbuster aufgestiegen.
Bond ist wieder sexy
"Skyfall", der 2012 erschienene Vorgänger vom aktuellen Film "Spectre", legte 50 Jahre nach dem Leinwandstart der Reihe den besten "Bond"-Kinostart aller Zeiten hin. Weltweit spielte der Film mehr als 750 Millionen Euro ein. "Bond" ist also wieder sexy. Oder besser gesagt, der einsame, düstere Wolf ist wieder sexy. Ob dieser Bond Fleming gefallen hätte? Spätestens bei der Nachtwäsche des Geheimagenten würde Fleming den goldenen Colt zücken, denn dass Bond gerne den Nackedei gibt, dafür hätte er kein Verständnis. Immerhin hat er 007 ein besonderes Kleidungsstück auf den Leib geschrieben: "Es handelt sich um ein Pyjamaoberteil, das ihm fast bis zu den Knien reicht. Es hat keine Knöpfe, sondern einen locker sitzenden Gürtel, der um die Taille geschwungen wurde." Zumindest der Filmtitel würde hier auf der Hand liegen: "Liebestöter aus London".
VON SUSANNE RAKOWITZ