Karin, 50 Jahre jung, hat eine Konzertkarte; Simon, 18 Jahre alt, ebenfalls. Mutter und Sohn gehen demnächst zum Wanda-Konzert. Karin findet die Gruppe total lässig, Simon findet sie auch lässig, obwohl er vermutlich ein anderes Wort dafür verwendet. Egal: Wanda aus Wien verbindet.
Zur Erklärung: Wanda ist eine Pop-Band. Der Name stammt von Wiens einziger Zuhälterin namens Wanda Kuchwalek. Die Kuchwalek wurde auch „wilde Wanda“ genannt. Sie steht irgendwie für Rotlicht-Rock ‘n’ Roll.
Nun, dafür steht die Gruppe gleichen Namens irgendwie auch. „Amore“ hieß das Debütalbum der Partie rund um Sänger Michael Marco Fitzthum alias Marco Michael Wanda. Es ging darin um, klar, Bologna und, auch klar: Liebe. Nicht für die Ewigkeit, aber auch nicht nur als schnelle Nummer. Vielmehr als das, wie es die Realität eben vorsieht: als Zwischending von immer und nichts. Damit kann Karin, 50, etwas anfangen; damit kann auch Simon, 18, gut leben.
"Bussi"
Morgen (2. Oktober) wirft Wanda ihr zweites Baby auf den Markt, es heißt „Bussi“. Und die Themen sind ähnlich geblieben. Bereits die erste Nummer der Platte handelt von einem Typen, der sich zwar die Seele aus dem Leib singt, aber dennoch nicht festlegen will. Man kann solche Typen Hallodris nennen oder Strizzis oder Falotten. Egal: Sie kommen aus dem echten Leben. Sie sind nicht unbedingt sympathisch, aber auch nicht ungut. Sie sind: wie es eben die Realität vorsieht.
Wanda ist hochgradig generationen- und massenkompatibel. Das ist ein Phänomen, das gar nicht so schwer erklärbar ist, wie es scheint. Wanda jammert nicht, Wanda lebt. Oft maulen sie zwar über das Leben, dennoch ist das Dasein kein Jammertal. Auf der anderen Seite steht aber auch nicht die große Party, das große Nichts vor dem nächsten Morgengrauen. Wanda macht Sinn, ohne zwanghaft auf Sinnsuche zu gehen.
Das Feuilleton liebt die Strizzis aus Wien, vor allem das deutsche. Vom „Spiegel“ bis zur „Welt“ sind die Seiten voll über die lässigen Burschen aus Wien. Die Nachbarn zelebrieren deren Leichtigkeit, die immer mit einer gehörigen Portion Augenzwinkern daherkommt. Austropop anno dazumal stand für bierernste Korrektheit, Austropop anno 3.0 steht für Schwerelosigkeit ohne allzu großen Leichtsinn. Motto: Mögen wir das Leben mit Anstand überleben.
Zeitlose Gassenhauer
Wanda ist die Speerspitze einer Generation, die im Grunde keinen Namen mehr braucht, um sich zu definieren. „Bilderbuch“ heißen die Kollegen, oder „Ja, Panik!“ Ihnen allen ist gemein, dass sie zwar eine musikalische Vergangenheit inhaliert haben, ihr Odem aber dennoch nicht abgestanden riecht. Sicher, Falco lässt grüßen, wenn man Wanda hört. Aber der Selige kommt aus den Clubs, die die wilde Wanda nicht betreten würde.
In Wahrheit – und so einfach kann es manchmal sein – ist Wanda tatsächlich Rock’n’Roll mit allen Abziehbildern und Klischees, die aber so tief im Leben wurzeln, dass es völlig egal ist, ob Karin, 50, oder Simon, 18, den zeitlosen Gassenhauern lauschen. Es geht um Liebe – erlaubt oder unerlaubt. Es geht um Straßen – wo auch immer sie enden. Es geht mitunter auch um den Tod – über den wir lachen, ohne ihn auszulachen. Kurz: Es geht um die Realität. Ohne Wenn und Aber und Jammern. Deshalb muss man sich auch nicht darüber wundern, dass Wanda dermaßen erfolgreich ist.
BERND MELICHAR