In der Grazer Oper hat 1924 die österreichische Erstaufführung von Franz Schrekers "Der ferne Klang" stattgefunden. Nun holt die neue Intendantin Nora Schmid die Oper zurück auf die Bühne. Premiere ist am 26. September. Chefdirigent Dirk Kaftan bezeichnet die Musik als "hypnotisch", weil sie "weit über extreme Emotionen hinausgeht".

Der Inhalt von Franz Schrekers erster Oper könnte einem naturalistischen Drama entstammen und wurde von ihm selbst verfasst: Ein junger Komponist sucht nach einem undefinierbaren "fernen Klang" und verliert sich darüber selbst. Grete, seine Freundin, wird vom trunksüchtigen Vater an einen Wirt verspielt und landet zuletzt als Prostituierte auf der Straße. Nach anfänglich großem Erfolg und zahlreichen Aufführungen - so auch 1924 in Graz - wurde Schreker bald politisch angefeindet, 1934 starb er an einem Schlaganfall. Sein Werk wurde von den Nazis als "entartet" eingestuft und verschwand für lange Jahre von den Spielplänen.

Spätromantik

Die Musik ist noch der Spätromantik verhaftet, weist aber expressionistische Einschübe auf, lässt sich nicht wirklich einordnen: "Schrekers Partitur ist hypnotische Musik, die die verschiedenen Bereiche des Bewusstseins anspricht. Träumen, Suchen, Visionen, Unterbewusstes - die es aber auch schafft, in die Realität zurückzukippen", beschrieb es der Dirigent der kommenden Grazer Premiere, Dirk Kaftan. "Bei ganz alltäglichen, realistischen Szenen auf der Bühne transportiert die Musik das, was man nicht sieht, was gefühlt wird oder sich im Unterbewusstsein abspielt. Das geht weit über extreme Emotionen hinaus, und lässt auch die Unschärfe zwischen den verschiedenen Bereichen zu."

Die Oper spielt in Deutschland und in Venedig, wobei die musikalischen Elemente ineinander verwoben sind: "Im zweiten Akt hören wir verschiedene Fernorchester und Chöre, welche in unterschiedlichen Stilen, Sprachen aufspielen. Eine Zigeunerkapelle, ein venezianisches Tanzorchester, merkwürdige Stimmen der Sirenen aus dem Off, Melodie-Fetzen, nicht genau ortbar, voller Geheimnis - genauso wie die zugrunde liegenden Tonarten", erklärte Kaftan.

Weiterentwicklung

Die Besonderheit an dieser Musik sei, so der Dirigent, "dass der Komponist das alles nicht durch einen Bruch mit der Vergangenheit herstellt, sondern durch die Weiterentwicklung einer jahrhundertealten Sprache und sich deshalb auch fürs Publikum so verständlich macht. Dieses Stück nach mehr als 90 Jahren wieder in Graz zu spielen ist natürlich etwas ganz Besonderes, weil das Thema, die Inhalte dieses Stückes, uns heute, in einer Zeit der Sinnsuche und der Orientierungslosigkeit, genauso betreffen wie damals". In Szene gesetzt wird das Werk von der jungen Regisseurin Florentine Klepper, die unter anderem an der Semperoper in Dresden für den "Fliegenden Holländer" und "Arabella" verantwortlich zeichnete.