Mit einer Dramatisierung des 1967 erschienenen Romans "Fasching" von Gerhard Fritsch zu beginnen, war eine gute Wahl. Es ist ein Bekenntnis zur österreichischen Literatur, zu politischen Themen, zu einer Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Gegenwart. Es ist freilich auch ein heikles Unterfangen: Das Deserteurs- und Heimkehrerdrama um Felix Golub, der als Frau verkleidet den Zweiten Weltkrieg an der "Heimatfront" überlebt und bei Kriegsende im Handstreich seine Stadt vor der Zerstörung bewahrt hatte, dennoch in russische Kriegsgefangenschaft geriet und zwölf Jahre später zurückkehrt, um das fotografische Atelier seines Freundes Raimund zu übernehmen, enthüllt sich durch viele Zeitsprünge und Rückblenden erst allmählich.
Sie habe nach anfänglichem Zögern schließlich "an der gewaltigen und unglaublich bildhaften Sprache, die viel mit der Welt von Jelinek und Bernhard zu tun hat", Feuer gefangen, hatte Badora im Vorfeld erzählt. Doch der Funke ist bei dieser Österreichischen Erstaufführung (eine andere Bühnenfassung wurde bereits im Vorjahr in Leipzig gezeigt) nicht immer übergesprungen.
Die Bühne von Michael Simon setzt auf Kunst und Künstlichkeit. Ein Richtung Rampe beweglicher riesiger weißer Rahmen dient als zusätzliche Spielfläche, große in schwarz-weiß gemalte Bilder charakterisieren Schauplätze wie das Atelier der mondänen Miedermacherin Vittoria Pisani oder das Fotostudio Raimunds. Immer wieder tragen Figuren Masken oder Halbmasken. Felix Golub ist überhaupt zweifach vertreten: In Gestalt des zarten, darstellerisch leider ziemlich blassen Nils Rovira-Munoz, sowie einer von Nikolaus Habjan gebauten und geführten Doppelgänger-Puppe, die ihre Kollegen aus Fleisch und Blut immer wieder an die Wand spielt.
Das neue Volkstheater-Ensemble präsentiert sich eher durchwachsen, noch nicht ganz angekommen. Christoph Rothenbuchner und Christian Dolezal versuchen ihren Dorfbewohnern eine Portion Fiesheit mitzugeben, Stefan Suske kann die Volten, die er als Raimund zu vollführen hat, nicht immer glaubhaft machen. Darstellerisch regieren an diesem dreistündigen, von Längen nicht freien Eröffnungs-Abend die Frauen: Adele Neuhauser hat als furchtlose Baronin Pisani mit dämonischer Veranlagung und großem sexuellen Appetit alle Fäden in der Hand, Stefanie Reinsperger, vom Burgtheater ins Volkstheater-Ensemble gewechselte "Schauspielerin des Jahres", zeigt als resolute Braut von Felix erneut ihr stupendes Talent und sorgt für die Höhepunkte des Abends.
Wie Reinsperger im Getümmel des eskalierenden "Kameradschaftskränzchens" die sich anbahnenden Handgreiflichkeiten gegen den zur Faschingsprinzessin gewählten einstigen Deserteur Felix bannt, indem sie das Lied "Fern bei Sedan" anstimmt und dabei wie ein heilender Engel die Kriegsversehrten von ihren Verbänden befreit, die Lahmen wieder gehend und die Blinden sehend macht, das ist eine große, Gänsehaut machende Szene, in der sich die Kraft des Theaters beweist.
Von dieser Kraft hätte man gerne mehr gesehen. Aber ein Anfang ist gemacht. Er ist vielversprechend. Steigerungen sind möglich, ja nötig. Das weiß auch Badora: "Man muss uns ein bisschen Zeit geben. Dass alles sofort funktioniert, das habe ich noch nie erlebt."