Bei der Umfrage unter 42 Kritikern des deutschen Sprachraums konnte sich das Burgtheater mit sechs Voten vor den drei Berliner Bühnen Volksbühne, Maxim Gorki Theater und Schaubühne sowie dem Theater Dortmund (je drei Stimmen) durchsetzen. Das Haus "dürfte seinen Erfolg neben den erfolgreichen Rehabilitierungsbemühungen der neuen Intendantin Karin Bergmann nach dem Hartmann-Debakel nicht zuletzt auch den beiden Inszenierungen der neuen Stücke von Wolfram Lotz und Ewald Palmetshofer verdanken, die sowohl zum Berliner Theatertreffen als auch zu den Mülheimer Stücken eingeladen wurden", heißt es in dem am Donnerstag erschienenen Jahrbuch von "Theater heute".
"Die lächerliche Finsternis" von Wolfram Lotz wurde mit 27 Stimmen - so vielen wie noch nie - zum Stück des Jahres gewählt, gefolgt von Ewald Palmetshofers ebenfalls in Wien uraufgeführtem Stück "die unverheiratete" mit vier Stimmen. Dusan David Parizeks Uraufführung von "Die lächerliche Finsternis" wurde Inszenierung des Jahres, Parizeks Bühnenbild schaffte es ex aequo gleich auch zum "Bühnenbild des Jahres" (gleichauf mit Katrin Nottrodt und Aleksandar Denic).
Stefanie Reinsperger, die mittlerweile an das Volkstheater Wien wechselte, aber ihre Akademietheater-Rollen in "Die lächerliche Finsternis" und "die unverheiratete" weiter spielen wird, wurde in Personalunion "Schauspielerin des Jahres" (9 Stimmen) und "Nachwuchsschauspielerin des Jahres" (15 Stimmen). Immerhin fünf Stimmen erhielt Elisabeth Orth als Großmutter in "die unverheiratete". Nur der Schauspieler des Jahres spielt nicht in Wien: Samuel Finzi wurde für seinen Wladimir in Ivan Panteleevs Beckett-Inszenierung "Warten auf Godot" am Deutschen Theater in Berlin ausgezeichnet.
Burgtheater-Direktorin Bergmann meinte gegenüber der APA, dies werde natürlich gefeiert werden, wenn das Ensemble am Dienstag (1.9.) erstmals wieder zusammenkomme, im Zentrum stehe jedoch die Frage, wie man auf die Flüchtlingskrise reagieren könne, ein Thema, "das uns wirklich unter den Nägeln brennt".
Konkret gehe es etwa darum, unter Einbeziehung von Vertretern der Zivilgesellschaft die Feier des 60. Jahrestags der Wiedereröffnung des Hauses am 14. Oktober 1955 unter das Thema dieser neuen Herausforderungen zu stellen. "Vor zehn Jahren war Navid Kermani der Festredner. In seiner Rede 'Nach Europa' hat er damals alles vorweggenommen, was wir jetzt erleben."
Europa sei ein Sehnsuchtsort und Asyl ein Menschenrecht, so Bergmann. "Wir müssen deutlich aufzeigen, dass wir von der Begegnung mit anderen Kulturen profitieren." In Überlegung seien auch Patenschaften für Flüchtlinge und Asylwerber sowie ein Schulterschluss mit anderen Kulturinstitutionen, um deutlich zu machen, dass Österreich die aus Krisenregionen flüchtenden Menschen willkommen heiße.