Mit der Austragung des Eurovision Song Contest (ESC) hatte Wien vor vier Wochen die große Show. Am Wochenende wird an der Universität Graz die geistes- und sozialwissenschaftliche Reflexion dazu geliefert: Am 19. und 20. Juni werden Experten im Meerscheinschlößl eine interdisziplinäre Analyse der gesellschaftlichen und musikwissenschaftlichen Bedeutung des Musikspektakels vornehmen.
Am Freitag und Samstag findet am Institut für Musikwissenschaft der Universität Graz die Konferenz "Musikalische Diversität und kulturelle Identitäten in der Geschichte des Eurovision Song Contest" statt. Die 60. Ausgabe des Wettbewerbs, der vor vier Wochen in der Wiener Stadthalle über die Bühne gegangen ist, bietet den Anlass zu einer Bestandsaufnahme popmusikalischer Entwicklungen sowie medialer, soziokultureller und politischer Aspekte in der jüngeren Musikgeschichte.
Unterhaltungskultur
Seit seiner Gründung im Jahr 1955 hat sich der ESC von einem Aspekt der westeuropäischem Unterhaltungskultur zu einem weltweit verfügbaren TV-Event mit Auswirkungen bis nach Australien entwickelt. Rückblickend lasse sich an ihm einerseits die Geschichte für lokale und globale Trends und stilistische Vielfalt in Komposition und Aufführung von Populärmusik nachverfolgen, so die Organisatoren vom Institut für Musikwissenschaft der Uni Graz. Andererseits spiegle sich in ihm auch die europäische Nachkriegsgeschichte von der Teilung in zwei Blöcke, das jeweilige Nationalbewusstsein und der EU-Integrationsprozess und nicht zuletzt der Finanzkrise wider. Bei der Konferenz will man sich nun aus unterschiedlichen Perspektiven den vielfältigen Einflussfaktoren, denen das Musikspektakel ausgesetzt war und ist, annähern.
Die Vortragenden sind größtenteils Forscher von Universitäten in Österreich, Deutschland, Großbritannien, Polen und Serbien. Zu den Referenten zählen u.a. der australische Historiker Dean Vuletic, der an der Universität Wien über politische Hintergründe des ESC forscht und den Schlagerwettbewerb einen Gradmesser für die politische Stimmung sieht. Warum die ESC-Beiträge über alle Jahre "tiefe Spuren" hinterlassen haben, aber "doch nie hip" waren, wird der deutsche Journalist, Kulturwissenschafter und Autor mehrerer Bücher über den ESC, Jan Feddersen referieren. Die Zusammenhänge von Gender- und Geopolitik im Kontext des ESC wird Florian Bieber (Uni Graz) ansprechen.